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Kapitän Singleton

Kapitän Singleton

Titel: Kapitän Singleton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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Rauch wie nur möglich. Der Wind hatte sich gelegt, und es war fast windstill; durch ein Fernglas, das der Geschützmeister in der Tasche trug, glaubten wir jedoch zu erkennen, daß die Segel des Schiffs sich blähten und es mit rauhem Wind auf ablaufendem Kurs nach Ostnordost steuerte, ohne auf unser Signal zu achten, und auf das Kap der Guten Hoffnung zuhielt, und so brachte es uns keinen Trost.
    Wir machten uns daher sogleich an die Arbeit, um unsere Absicht auszuführen und ein Kanu zu bauen; nachdem wir einen sehr großen Baum ausgesucht hatten, der unserem Wunsch entsprach, begaben wir uns ans Werk, und da wir drei gute Äxte mit uns hatten, gelang es uns, ihn zu fällen; es dauerte jedoch vier Tage, obgleich wir sehr hart arbeiteten. Ich erinnere mich nicht, aus was für Holz wir das Boot fertigten, noch an seine genauen Ausmaße, ich weiß aber noch, daß es sehr groß war, und als wir es vom Stapel ließen und es aufrecht und ruhig schwimmen sahen, waren wir davon so ermutigt, wie wir es zu einem anderen Zeitpunkt gewesen wären, wenn wir ein gutes Kriegsschiff zu unserer Verfügung gehabt hätten.

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    Das Boot war so groß, daß es uns alle ganz ohne jede Schwierigkeiten trug und auch zwei bis drei Tonnen Gepäck aufgenommen hätte, und so begannen wir zu beraten, ob wir nicht übers Meer direkt nach Goa fahren sollten; viele andere Überlegungen brachten uns aber – besonders, als wir uns näher damit befaßten – von diesem Gedanken ab. Zum Beispiel hatten wir keine Nahrungsmittel und keine Fässer für Trinkwasser, keinen Kompaß, um danach zu steuern, keine Deckung gegen die Brecher des offenen Meers, die uns gewiß zum Scheitern brächten, keinen Schutz vor der Sonnenhitze und dergleichen mehr, so daß sie alle bereitwillig meinem Plan zustimmten, dort, wo wir uns befanden, umherzukreuzen und abzuwarten, was sich uns böte.
    Wir fuhren also, um unsere Laune zu befriedigen, eines Tages alle zusammen mit dem Boot aufs Meer hinaus, und wir hatten bald genug davon, denn als wir sämtlich an Bord und etwa eine halbe Meile weit draußen waren, ging die See ziemlich hoch, obgleich wenig oder kein Wind wehte, und das Boot schaukelte dermaßen auf dem Wasser, daß wir glaubten, es werde sich schließlich mit dem Kiel nach oben drehen, und so legten wir alle Hand an, um es näher an die Küste zu bringen. Als wir es dann auf einem anderen Kurs hatten, schwamm es ruhiger, und durch einige harte Arbeit bekamen wir es wieder in die Nähe des Landes.
    Wir befanden uns jetzt in großer Verlegenheit. Die Eingeborenen waren uns gegenüber recht höflich und kamen oft, um sich mit uns zu unterhalten; einmal brachten sie einen Mann mit, dem sie – als einem König unter ihnen – großen Respekt erwiesen, und sie richteten einen hohen Pfahl zwischen sich und uns auf, mit einer langen Haarquaste daran, die nicht oben auf der Spitze, sondern ein wenig über der Pfahlmitte hing und mit kleinen Ketten, Muscheln, Messingstückchen und dergleichen verziert war. Wie wir später erfuhren, war dies ein Zeichen der Freundschaft und der Zuneigung, und sie brachten 37
    uns reichlich Nahrungsmittel – Vieh, Geflügel, Kräuter und Wurzeln; wir aber waren sehr verlegen, denn wir hatten nichts, um es damit zu kaufen oder einzutauschen, und umsonst wiederum wollten sie uns die Dinge nicht geben. Was unser Geld betraf, so war es für sie nur Plunder, und sie maßen ihm keinerlei Wert bei, so daß wir auf dem Wege des Verhungerns waren. Hätten wir nur einigen Spiel- und Flimmerkram gehabt, Messingketten, Zierat, Glasperlen oder, mit einem Wort, gerade die belanglosen Dinge, von denen eine Schiffsladung voll nicht soviel wert gewesen wäre wie die Frachtkosten, dann hätten wir genügend Vieh und Vorräte für eine ganze Armee kaufen oder eine Flotte von Kriegsschiffen mit Lebensmitteln versorgen können; für Gold oder Silber aber konnten wir nichts erhalten.
    Das bestürzte uns sehr. Ich war nur ein junger Bursche, aber ich erklärte mich dafür, sie mit Feuerwaffen zu überfallen, ihnen ihr gesamtes Vieh fortzunehmen und sie, anstatt selbst zu verhungern, zum Teufel zu schicken, damit er ihren Hunger stillte; ich dachte aber nicht daran, daß uns dies vermutlich am nächsten Tag zehntausend von ihnen auf den Hals gezogen hätte, und wenn wir wohl auch eine große Anzahl von ihnen getötet und die übrigen vielleicht eingeschüchtert hätten, so wäre doch ihre Verzweiflung und unsere geringe Anzahl ein solcher Anreiz für sie

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