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Kapitän Singleton

Kapitän Singleton

Titel: Kapitän Singleton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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hatten töten sollen, so geschah mir damit Unrecht, denn nicht ich war es, sondern einer von denen, die begnadigt wurden, und er hatte das Glück, daß diese Tatsache nie ans Licht kam.
    Ich sollte nun ein unabhängiges Leben führen, worauf ich wirklich sehr schlecht vorbereitet war, denn ich war in meinem Betragen völlig ungehemmt und liederlich, kühn und verworfen, solange ich einen Herrn über mir hatte, und jetzt gänzlich ungeeignet, daß man mich mit meiner Freiheit betraute, denn ich war so reif für irgendeine Schufterei, wie man es bei einem jungen Burschen, dem nie ein anständiger Gedanke einge-pflanzt wurde, nur erwarten konnte. Eine Erziehung hatte ich, wie der Leser bereits weiß, nicht genossen, und all die kleinen Szenen des Daseins, die ich erlebt hatte, waren voller Gefahren und von verzweifelten Umständen begleitet gewesen; ich war jedoch entweder so jung oder so töricht, daß ich dem Schmerz und der Angst, die sie hätten erwecken können, entgangen war, weil mir nicht bewußt war, wohin sie führten und welche Folgen sie haben mußten.
    Diese gedankenlose, unbekümmerte Einstellung hatte tatsächlich einen Vorteil, nämlich daß sie mich wagemutig und bereit machte, jeden Frevel zu begehen, und mir den Kummer fernhielt, der mich sonst überwältigt hätte, wenn ich in einen Frevel verfiel; diese meine Torheit bedeutete für mich wirklich ein Glück, denn sie ließ meine Gedanken ledig, sich mit einer Möglichkeit des Entkommens und der Befreiung aus meiner Not zu beschäftigen, so groß diese auch sein mochte, während meine Elendsgenossen von ihrer Furcht und ihrem Kummer derartig niedergedrückt waren, daß sie einzig nur ihre jämmer-18
    liche Lage sahen und keinen anderen Gedanken hatten als den, sie müßten umkommen und verhungern, würden von wilden Tieren gefressen, ermordet, vielleicht von Kannibalen verspeist und dergleichen mehr.
    Ich war zwar nur ein junger Bursche, vielleicht siebzehn oder achtzehn Jahre alt; als ich aber hörte, welches Schicksal mir zugedacht war, nahm ich es mit keinem Zeichen der Entmuti-gung auf, sondern fragte nur, wie sich mein Herr dazu geäußert hatte, und als ich erfuhr, daß er seinen ganzen Einfluß geltend gemacht hatte, um mich zu retten, der Kapitän ihm aber geantwortet hatte, ich solle entweder an Land gehe n oder an Bord gehängt werden, was immer er vorziehe, gab ich alle Hoffnung auf, daß man mich wieder aufnähme. Ich war meinem Herrn in Gedanken nicht sehr dankbar dafür, daß er sich beim Kapitän für mich verwendet hatte, denn ich wußte: was er tat, geschah nicht aus Güte mir gegenüber, sondern vielmehr aus Eigennutz, nämlich um sich die Heuer zu erhalten, die er für mich bekam und die über sechs Dollar monatlich betrug, inbegriffen die Summe, die der Kapitän ihm für meine persönlichen Dienste bezahlte.
    Als ich erfuhr, daß mein Herr so scheinbar gütig gewesen war, fragte ich, ob man mir nicht gestatten würde, mit ihm zu sprechen, und erhielt die Antwort, das könne ich, wenn mein Herr zu mir herunterkommen wolle, ich dürfe aber nicht zu ihm hinaufgehen. So äußerte ich also den Wunsch, man möge meinen Herrn bitten, zu mir herunterzukommen, und das tat er.
    Ich fiel vor ihm auf die Knie und flehte ihn an, mir zu verzeihen, wenn ich etwas getan hatte, was ihm mißfiel, und tatsächlich lastete mir zu dieser Zeit mein Entschluß, ihn zu ermorden, schwer auf dem Gewissen, so daß ich einmal nahe daran war, es zu gestehen und meinen Herrn zu bitten, mir zu vergeben, aber ich behielt es für mich. Er erklärte mir, er habe getan, was er konnte, um meine Begnadigung vom Kapitän zu erwirken, es sei ihm aber nicht gelungen und er wisse keinen anderen 19
    Weg für mich als nur, mich mit Ergebenheit in mein Schicksal zu fügen, und falls sie am Kap Gelegenheit hätten, mit Leuten von Schiffen ihrer Nation zu sprechen, wolle er sich bemühe n, sie zu bewegen, hier anzulegen und uns wieder fortzuholen, falls man uns finde.
    Nun bat ich ihn, meine Kleidung mit an Land nehmen zu dürfen. Er sagte, er befürchte, ich werde wenig Kleidung brauchen, denn er könne sich nicht vorstellen, daß wir auf der Insel lange am Leben zu bleiben vermöchten, man habe ihm berichtet, die Bewohner seien Kannibalen oder Menschenfres-ser (freilich war diese Behauptung unbegründet) und wir könnten unter ihnen nicht am Leben bleiben. Ich erwiderte, davor hätte ich weniger Angst als vor der Aussicht, aus Mangel an Nahrungsmitteln zu sterben, und was

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