Karibische Affaire
Gnädigste, ganz wie sich’s gehört!«, rief der Major galant.
»Ihr Leben war so überaus abwechslungsreich!« Miss Marple war bestrebt, ihre Unaufmerksamkeit wieder gutzumachen.
»Das stimmt«, sagte Major Palgrave selbstzufrieden. »Ja, so kann man wohl sagen!« Er blickte anerkennend um sich. »Reizender Ort hier.«
»Ja, wirklich«, sagte Miss Marple, konnte sich aber nicht verkneifen, noch hinzuzufügen: »Ob sich hier wohl jemals etwas tut?«
Major Palgrave machte große Augen.
»Aber gewiss doch! Und ob! Ganze Menge Skandale, was meinen Sie wohl! Na, ich könnt’ Ihnen Sachen erzählen…«
Aber Miss Marple wollte gar keine Skandale. Was war das schon, wenn all diese Herrchen und Dämchen ihre Partner wechselten und die Aufmerksamkeit noch darauf lenkten, anstatt es dezent zu vertuschen und sich ordentlich zu schämen!
»Sogar einen Mord hat es hier vor zwei Jahren gegeben. Ein Mann namens Harry Western. Das ging damals durch alle Zeitungen. Erinnern Sie sich nicht daran?«
Miss Marple nickte ohne Begeisterung. Das war kein Mord nach ihrem Geschmack gewesen. Das Aufsehen war bloß durch den Reichtum der Beteiligten entstanden, und alles sprach dafür, dass Harry Western den Grafen de Ferrari erschossen hatte, den Liebhaber seiner Frau. Ebenso wahrscheinlich hatte er sich sein unwiderlegbares Alibi durch Bestechung verschafft. Jedermann schien betrunken gewesen zu sein, und außerdem hatte es da auch ein paar Rauschgiftsüchtige gegeben. Keine wirklich interessanten Leute, dachte Miss Marple, wenn es auch reizvoll ist, sie zu beobachten. Nein, eigentlich nicht ihr Geschmack.
»Und wenn Sie mich fragen, das war damals nicht der einzige Mord.« Er nickte und kniff ein Auge zu. »Ich hatte da einen Verdacht – o ja…«
Miss Marple ließ ihren Wollknäuel fallen, und der Major bückte sich danach. »Weil wir schon von Mord reden«, fuhr er fort, »einmal stieß ich auf einen sehr seltsamen Fall – nicht gerade ich persönlich.«
Miss Marple lächelte ermunternd.
»Es war mein Club, wissen Sie, alle sprachen mit allen, und einer, ein Arzt, begann von einem seiner Fälle zu erzählen. Ein junger Mann habe ihn mitten in der Nacht aus dem Bett geholt. Seine Frau hatte sich erhängt. Nun, Telefon war keines im Haus, er hatte sie abgeschnitten, sein möglichstes versucht, war dann zu seinem Wagen gerannt und hatte den Doktor verständigt. Sie war zwar nicht tot, aber es fehlte nicht viel. Jedenfalls, sie kam durch. Der junge Mann schien sie sehr zu lieben, er weinte wie ein Kind. Sie habe sich schon seit einiger Zeit so merkwürdig betragen, Anfälle von Melancholie gezeigt und so. Alles schien also in Ordnung, aber einen Monat später nahm die Frau eine Überdosis Schlaftabletten und starb. Trauriger Fall.«
Major Palgrave machte eine Pause und nickte mehrmals. »Und damit, sollte man meinen, war die Sache beendet. Eine neurotische Frau, nichts weiter. Aber ungefähr ein Jahr später fachsimpelte mein Doktor mit einem Fachkollegen, der ihm von einer Frau erzählte, die ins Wasser gegangen war. Ihr Mann hatte sie ’rausgezogen, den Arzt geholt, sie brachten sie durch – und ein paar Wochen später drehte sie das Gas auf.
Na, das passte nicht schlecht zusammen, ganz die gleiche Geschichte! Nun, mein Doktor sagte denn auch: ›Ich habe einen ganz ähnlichen Fall gehabt‹, sagte er, ›der Mann hieß Jones (oder wie immer der Name war), wie hieß der Ihre?‹ ›Kann mich nicht mehr erinnern. So ähnlich wie Robinson, aber bestimmt nicht Jones.‹
Nun, die beiden fanden die Sache ziemlich merkwürdig. Und dann zog mein Doktor ein Foto heraus. ›Das ist der Mann‹, sagte er, ›Ich bin am nächsten Tag hingefahren wegen der näheren Umstände, da bemerkte ich einen wunderschönen Hibiskus gerade vor dem Eingang, eine Sorte, die ich bei uns noch nie gesehen habe. Ich holte meine Kamera aus dem Wagen und machte eine Aufnahme davon. Gerade in diesem Moment trat der Mann aus dem Haus und kam so mit auf das Bild. Hat er wohl gar nicht bemerkt. Ich fragte ihn wegen des Hibiskus, aber er konnte mir auch nichts darüber sagen.‹ Der zweite Arzt sah sich das Foto an und meinte, es sei zwar ein bisschen unscharf, aber er würde trotzdem darauf schwören, dass dies derselbe Mann sei!. Ich weiß nicht, ob man die Sache weiter verfolgt hat, aber wenn, so hat man sicher nichts gefunden. Mr Jones oder Robinson hat seine Spuren wohl zu gut verwischt. Aber komisch ist die Geschichte schon! Man würde nicht
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