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Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Titel: Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Fried
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um das Heil des Königs und seiner Getreuen sowie für das Glück des ganzen ihm von Gott verliehenen Reiches bitten. Abschließend aber mahnte Karl den Empfänger, der König den Papst, «stets den heiligen Kanoneszu gehorchen und den Geboten (
statuta
) der heiligen Väter Folge zu leisten». Wachte der König über die Amtsführung des Papstes? Gab der eben Gewählte Anlaß zu Besorgnis?
    Karls Sorge um den rechten Glauben machte auch vor dem Bischof von Rom nicht Halt. Die programmatischen Sätze, denen Alkuin die Feder geliehen hatte, verwiesen den neuen Papst nicht nur auf seine pontifikalen Pflichten, sie waren zugleich eine Art Bestandsaufnahme von Karls bisheriger Herrschaft. Was Alkuin schrieb, hatte der Karolinger tatsächlich vorzuweisen. Gewalt allein, so hatte der König längst erkannt, hielt kein Reich zusammen, so sehr seine Größe auch auf der Spitze des Schwertes beruhte. Königsherrschaft, mithin das Reich, bedurfte der inneren Ordnung, und diese verlangte Gottes Segen. Gottes Huld aber mußte erworben und durch Dienst gesichert werden. Erfolg enthüllte die göttliche Gnade, Mißerfolg galt als himmlische Warnung, forderte Besserung und vermehrte Anstrengung. Karl folgte dieser schlichten Logik. Er unterwarf sich derselben Ethik, die er seinen Großen zumutete.
    Die Sorge für die Kirche erwies sich als Medium der Herrschaftswaltung. Glaube und Herrschaft ergänzten einander, kooperierten und stärkten sich wechselseitig. Nicht, daß Karl die Geheimnisse des Glaubens seinen Machtambitionen geopfert hätte. Er wußte um die Drohungen des göttlichen Gerichts und um das heraneilende Ende der Zeiten. Sein Handeln sollte darauf zuführen; es trachtete nach Frieden, Eintracht und Gerechtigkeit in seinem Reich[ 9 ]. Einschlägige Schriften, die im Frankenreich kursierten, konnten den König genauer informieren. Selbst und gerade in der Volkssprache wurde die Botschaft verbreitet. Wer zum Gericht (
mahale
) müsse, so hieß es etwa im «Muspilli»-Lied (v. 65), sollte gerecht richten (
rahono … rehto arteile
):
Denne ni darf er sorgen, denne er ze deru suonu quimit
(«Dann muß er sich nicht sorgen, wenn er zum Jüngsten Gericht kommt»).
    Eindringlicher noch warnte der Traktat über die zwölf Mißstände der Welt («
De duodecim abusivis saeculi
»). Er dürfte im 7. Jahrhundert in Irland entstanden sein und verbreitete sich nun in Karls Reich[ 10 ]. Der fünfte Mißstand war die Schamlosigkeit der Frauen, der sechste «der Herr ohne Tugend, dessen Herrschaftsgewaltunnütz ist»; der neunte war «der ungerechte König» (
rex iniquus
), der zwölfte das «Volk ohne Gesetz». «In der Gerechtigkeit des Königs wird der Thron erhöht», «Gerechtigkeit des Königs aber ist, niemanden mit seiner Gewalt rechtlos zu unterdrücken». Die Übeltaten aller Sünder seines Reiches würden im Jüngsten Gericht ihm, dem ungerechten König, aufgebürdet. Eine massive Drohung. Karl hütete sich, solche Sündenlast auf sich zu häufen[ 11 ]. Er strafte, aber mit «mildem Terror», wie Jahrzehnte später sein Enkel Nithard in seinen «Vier Büchern Geschichten» (I,1) festhalten wird. Er übte brutale Gewalt, aber von «Gerechtigkeit» diktiert. Übeltäter und Gegner wurden strafend ausgeschaltet, nicht – wie in früheren Jahrhunderten – getötet.
    Der Kampf mit Waffen mochte Karl ein Leichtes dünken im Vergleich mit den Mühen, die sich vor die Erkenntnis des Glaubens und die innere Ordnung des Reiches schoben. Hürde über Hürde türmte sich auf; war die eine überwunden, ragte schon die nächste und höhere empor und jede neue verlangte ein Mehr an Wissen und Können; und mit ihnen wuchs der intellektuelle Zweifel, die Versuchung des Denkens, des Fragens, der Grenzen sprengenden Neugier. Der Stein der Erkenntnis, mühsam empor gewuchtet, kam fortgesetzt ins Rutschen und stürzte in bodenlose Tiefe. Auch Karl machte im Lauf seiner langen Regierungszeit diese Erfahrung. Was er dem Papst schreiben ließ, war Erfolgsbilanz und zugleich das Programm einer Sisyphus-Arbeit: Christi Kirche durch die Erkenntnis des Glaubens zu stärken.

3

Rom fasziniert
    och wo beginnen? Programmatische Äußerungen Karls aus der Frühzeit seines Königtums fehlen. Nur sein Handeln spricht für sich. Es stand stets der Kirche nahe. Karls älteste bezeugte Urkunde erging für St-Denis, die Grabstätte seines Vaters, wo auch erselbst begraben sein wollte. Das Kloster aber, das der Abt Fulrad leitete, lag im Reichsteil seines

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