Kehraus fuer eine Leiche
zu, die ich von meiner Mutter einst erlernt habe. Da gurgelt und röchelt nichts, da ist nicht zur Unzeit irgendeine Kammer leer, da läuft nichts über, und zudem verbreitet sich betörender Kaffeeduft. Über jeden Arbeitsgang behalte ich die Kontrolle. Es sei denn, der Himmel beschließt just in jenem Moment, da ich den Filter bis an den Rand gefüllt habe, mir und meiner Vermessenheit einen Donnerknall zu versetzen. Und zwar so krachend, dass ich vor Schreck mit dem Heißwasserkessel den Kaffeetrichter anstoße. Der Versuch, die ganze Sache im Gleichgewicht zu halten, endet mit brühend heißem Kaffeesatz samt Papierfilter auf meiner rechten Hand.
Ich renne zur Spüle und drehe den Kaltwasserhahn auf. Es gurgelt und zischt. Unter dem sich flugs verbreitenden Kaffeeduft lauert der Geruch von verbranntem Steak. Ich verfluche das alte Haus mitsamt seinen Rohren, die ich längst hätte erneuern lassen müssen. Als die ersten Tropfen aus dem Hahn kommen, steht meine Hand schon längst in Flammen.
»Was ist mit deiner Hand?«
Entsetzt starrt Gudrun, zu der ich ins Restaurant gestürzt bin, auf das rote Stück Fleisch am Ausläufer meines rechten Armes.
»Verbrannt«, flüstere ich. »Was soll ich bloß machen? So kann ich doch nicht kochen! Und wie soll ich den Gästen die Hand geben? Ausgerechnet am Eröffnungstag!«
»So was ist an jedem Tag schlecht«, stellt Gudrun gelassen fest, »aber das kriegen wir schon hin.«
»Komm mir jetzt bloß nicht mit Butter oder Mehl«, wehre ich mögliche Eifeler Hausmittel ab.
»Wo denkst du hin!«, erwidert sie empört. »Das würde alles nur schlimmer machen.«
»Eben.«
»Wo ist das Telefon? Es steht nicht auf der Ladestation.«
»Wen willst du um diese Zeit denn anrufen?«, frage ich, zutiefst betroffen, dass sie mir bei meinem Schmerz offenbar erst nach einem Telefonat beistehen will.
»Den Gesundbeter, natürlich.«
»Wie bitte?«, frage ich.
»Du brauchst ja nicht dran zu glauben, aber du wirst sehen, dass es hilft«, versichert Gudrun und rennt hinaus.
Im Flur stößt sie offenbar mit David zusammen. Ich höre Kosenamen, die mich erschauern lassen, schürze in Erwartung des prompt eintretenden Geschmatzes selbst die Lippen und höre dann Gudruns resolute Bemerkung: »Lass mich, David, das ist jetzt sehr wichtig! Du hast doch gestern Nacht in den USA angerufen. Wo ist das Telefon?«
Na toll, ein Überseegespräch auf meine Rechnung. Kopfschüttelnd lasse ich das erste crushed ice aus dem neuen Apparat auf eine Serviette fallen.
»Oh, heck, I’m sorry.«
Die Entschuldigung ist angebracht. Ich sehe allerdings kein Heck, sondern einen durchtrainierten sehr attraktiven männlichen Bug. Gegen den überhaupt nichts einzuwenden ist. Außer, dass er sich in meiner Restaurantküche befindet. Auch gut gebaute männliche Wesen sollten hier mehr als nur einen Slip tragen.
»Guten Morgen«, sage ich, vermutlich mit sehr weit hochgezogenen Augenbrauen und sehr schmalem Mund.
»Ja, ich wusste nicht, dass du schon hier bist«, stottert Gudruns Amerikaner, wirft kurz einen sehnsuchtsvollen Blick auf die Kaffeemaschine und flüchtet.
»Ich habe es!«, trällert Gudruns näher kommende Stimme.
»Hilf mir lieber, das Tuch um die Hand zu wickeln«, fordere ich sie auf, als sie mit einem großen Grinsen und dem Telefon am Ohr in die Küche schwebt.
»Es klingelt schon! Ja, guten Tag, Herr Schmitz, ich bin die Gudrun Arndt von der Kehr. Ja, von der deutschen Seite, das stimmt. Meine Freundin hat sich grad mit Kaffeesatz ganz fürchterlich die Hand verbrannt …«
Sie hört einen Moment zu, sagt dann: »Katja Klein … Nein, nicht verwandt mit den anderen Kleins von der Kehr. Aber ihre Großeltern hatten den alten Lebensmittelladen in Hallschlag …«
»Gudrun!«, flüstere ich ungeduldig und halte ihr meine Hand hin. Sie klemmt das Telefon zwischen Ohr und Schulter, während sie mir flink das Eistuch um die verbrühte Hand wickelt.
»Der rechte Handrücken und die Finger … ich glaube, alle … Ja, vielen Dank, Herr Schmitz. Auch im Namen von Frau Klein. Gott segne Sie.«
Triumphierend schaut sie mich an, als sie das Telefon auf die Anrichte legt.
»Das war’s?«, frage ich.
»Ja, er wird jetzt für dich beten, und heute Mittag siehst du nicht mal mehr eine Spur von der Verbrennung.«
»Heute Mittag habe ich Brandblasen, und morgen früh geht mir die Haut in Streifen ab. Alles in meinem Namen.«
»Es schadet nicht, wenn du ein bisschen dran glaubst.«
»Aha, und
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