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Kein König von Geburt

Kein König von Geburt

Titel: Kein König von Geburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian May
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so daß das zarte Kinn sich deutlich abhob. Ihr Gesicht war ruhig, die Lippen weich geteilt, von seinem eigenen warmen Licht gefärbt, so daß sie hätten lebendes Fleisch sein können. Aber nie waren ihre Wimpern und ihr Haar so bleich gewesen, so spinnwebfein wie die seltenen Basaltfäden, die bestimmte Vulkane erzeugen.
    »Du warst so voll von Verlangen«, sagte er, »und machtest ihm Angst. Das war recht so, recht. Und nun wird all deine Entschlossenheit, all deine Lebenskraft aufgebraucht zu seiner Wiederherstellung, zu meinem Tod. Ah, Mercy. Du wußtest es. Du hast mich gewarnt. Wildfeuer, sorglos und frei brennend. Warte.«
    Er zog einen rosa Glashandschuh aus. Die silberne Hand glitt schnell über ihren ganzen Körper. Dann war nur noch der Reif übrig, und Staub, der sich in federigen Windungen auf dem schwarzen Laken zerstreute ...
    Draußen vor dem Fenster entzündete sich der sinkende Mond plötzlich zu heftigem Gold. Eine Gedankenstimme befahl:
    Komm heraus!
    Sie trafen sich hoch in der Luft über dem Meer, leuchtend und zornig und nur vom bloßen Gehirn abgeschirmt, wie es das Ritual verlangte.
    Als die scharfen grünen Blitze des ersten Schlagabtauschs aufzuckten und Donner auf die Stadtmauern niederschallte, hörten alle anderen Kämpfe auf. Tanu-Parteigänger beider Helden und ebenso die menschlichen Krieger ließen ab von ihren trivialen Gefechten, um dem Duell der Titanen zuzusehen. Nichtkombattanten, die sich vor den Invasoren versteckt hatten, schlichen jetzt hinauf auf die Zinnen und Türme und standen zwischen den stillen Zuschauern in Glasrüstungen.
    Goriah sah fast geisterhaft aus, denn die metapsychischen Feenlichter waren ausgeschaltet worden und die Öllampen brannten in der Dunkelheit vor dem Morgengrauen niedrig. Die grünen Explosionen draußen über der Stadt von Redon waren scharfe Schatten, als leuchte der Vollmond. Die glühenden Körper der beiden Gegner ertranken beinahe in dem blendenden Glanz.
    Einige der Anwesenden waren auf der Weißen Silberebene Zeugen der früheren Begegnung zwischen Aiken und Nodonn gewesen, die die Flut unterbrochen hatte. Diese bemerkten bestimmte Unterschiede im Kampfstil der beiden. Der kleine Mensch war umsichtiger geworden und achtete mehr auf seine Verteidigung, und der gottgleiche Schlachtenmeister zeigte eine zügellose Aggressivität, die mit seinem üblichen kühlen Gleichmut nicht in Einklang zu bringen war.
    Nodonn war der aktivere. Umgeben von einem Nimbus in den Farben der Morgenröte umkreiste er den schwebenden Usurpator und deckte ihn fast ununterbrochen mit Schüssen ein, die wie stellare Fackeln aus seinem Schwert sprühten. Zwar sprangen sie von Aikens psychokreativem Schirm ab, aber sie schienen ihn zu beschädigen, denn die Korona blitzte in Blau oder einem kränklichen Gelb-grün - bei stärkeren Ladungen -in einem sich längere Zeit haltenden Zinnoberrot.
    »Verderber!« brüllte die Sturmstimme. »Ich bin der Erbe des Vielfarbenen Landes, das erste Kind Thagdals und Nontusvels. Wer hat dich gezeugt, Geringer? Sterile Schüsseln in einer genetischen Küche? Reagenzgläser, Retorten, die gefrorenes Sperma mit dem Ei einer toten Frau mischten? Was für ein König! Was für ein Schlachtenmeister!«
    Und das Schwert flammte, und die monströsen Erschütterungen rollten über das beleidigte Meer, und Aikens Gedankenschirm zuckte in dunklem Orange auf. Seine kleine, gerüstete Gestalt wurde innerhalb des metapsychischen Halos trübe und dunkler.
    »Wehr dich!« tobte Nodonn. »Oder kämpfst du nur gegen Frauen? Hat ihre Leidenschaft dir Angst eingejagt, Männlein? Bist du vor ihrer Glut zurückgewichen wie eine Schnecke vor dem Sonnenlicht? Ich bin die Sonne! Verfinstere mich, wenn du kannst!«
    Innerhalb des langsam schrumpfenden Gedankenschirms hob der Listenreiche den Speer - und einen Finger. Er blieb stumm, und er schoß nicht zurück. Die rotgefleckte Energiesphäre schien ziellos dahinzutreiben, berührte fast die Oberfläche des schwarzen Wassers.
    »Verdammt sollst du sein! Kämpfe!« donnerte Nodonn. »Oder suchst du den Tod?« Seine Aura wie einen Komentenschweif hinter sich herziehend, umkreiste der Schlachtenmeister seinen Rivalen. »Ist es das? Du hast gehofft, du könntest deinen eigenen gebrochenen Geist wiederherstellen, indem du sie tötetest. Du hast ihre Kreativität verschlungen, um deine eigene zu stärken! War es das wert, Verderber? War es wert, daß du das einzige zerstört hast, was du liebtest?«
    Nodonn

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