Keine Gnade
Lippen auf seine Wange. Als sie sich gerade zurückziehen wollte, fasste Julian ihre Schulter. Ihre Augen trafen sich, ihre Gesichter waren nur Zentimeter voneinander entfernt. Er beugte sich vor und küsste sie sanft auf den Mund. »Meine Wohnung ist ganz in der Nähe.«
Kaum zu glauben, wie mühelos er Genevieve abschleppen konnte, oder genauer gesagt, wie einfach sie ihn angebaggert hatte. Und so brachte Julian sie zu seinem MietÂwagen. Sie fuhren in dem perlweiÃen Cadillac CTS zu dem Loft, das er erst vor wenigen Wochen gemietet hatte. Da es nur vier Blocks von Tonyâs Bar and Grill entfernt lag, brauchten sie nur einige Minuten. Julian hatte seit über zehn Jahren keine andere Frau mehr geküsst. Auch wenn er nicht wollte, dass der Kuss ihn erregte, so war er doch ziemlich aufÂgewühlt und hasste sich dafür.
Genevieve kramte in ihrer Tasche herum. »Hast du was dagegen, wenn ich meiner Freundin Katie eine Nachricht schicke? Ich habe jetzt doch ein schlechtes Gewissen, weil ich einfach gegangen bin.«
»Und was willst du ihr sagen?«
»Sie soll nicht auf mich warten.«
Julian konnte nicht erfreuter sein. Er drückte auf die Fernbedienung, die Sicherheitsschranke hob sich, und er fuhr den Cadillac in die schwach beleuchtete Tiefgarage. Sein Wagen war der Einzige hier unten.
»Das ist ein bisschen unheimlich, Julian«, sagte Genevieve, und ihre Finger flogen über die Tasten ihres Telefons.
»Tut mir leid, aber die Tiefgarage sieht aus wie ein Verlies. Ich habe das Gebäude vollständig saniert, aber für die Garage hatte ich noch keine Zeit. Sie ist aber auch nicht so wichtig. Mein Loft nimmt den ganzen zweiten Stock ein, es wird dir gefallen. Die Architekten vom Stockwerk darunter sind selten hier, und so habe ich das Haus meist ganz für mich allein. So eine Ruhe ist mitten in San Diego kaum zu finden.«
Sie traten in den Aufzug, und als sich die Türen schlossen, hatte Julian schon seine Arme um sie gelegt und küsste sie unbeherrscht. Das war eigentlich nicht seine Absicht gewesen. Urinstinkte hatten jetzt die Führung übernommen, und er hatte fast vergessen, warum er sie in sein Loft gebracht hatte.
Das ist der Alkohol, Julian. Denk an deine Aufgabe.
Sie wich ein wenig zurück, war fast auÃer Atem.
Julian merkte, dass er sich auf gefährliches Terrain begab. Was dachte er sich nur dabei! Wenn er nicht vorsichtig war, würde er ganz leicht abgelenkt werden. Doch er konnte es sich nicht leisten, seine Studie in irgendeiner Form zu gefährden. Aber als er diese schöne junge Frau so leidenschaftlich geküsst hatte, waren Erinnerungen an Rebecca und ÂMarianne hochgekommen, an den dunklen Schuppen hinter ihrem Haus und an das Spiel, das sie ihm vor so vielen Jahren aufgezwungen hatten, ein Spiel, das seine Sexualität mit geprägt hatte.
»Du verlierst aber auch keine Zeit, was?«
»Ich bin ein sehr ungeduldiger Mann.«
»Können wir es nicht ein bisschen langsamer angehen lassen?«
Es lief alles ganz anders, als er geplant hatte. Er hatte nicht damit gerechnet, sich ablenken zu lassen. Doch plötzlich beherrschten sexuelle Allmachtsfantasien sein Bewusstsein. Das durfte er nicht zulassen. Er musste sich auf sein eigentliches Ziel konzentrieren: die Anerkennung seiner bahnbrechenden Forschung. Er konnte es sich nicht leisten, das aus den Augen zu verlieren.
Sie bekam weiche Knie bei der Vorstellung, dass Julian mit ihr schlafen würde. Sie hatte etliche Männer gehabt, einige waren verklemmt und unsicher, andere wie stürmische Bullen gewesen. Doch Julian war anders, davon war sie überzeugt; bestimmt würde sie bald in seinem Bett landen. Sie fühlte sich auf unerklärliche Weise zu ihm hingezogen. So sehr, dass sie jede Vernunft auÃer Acht lieÃ. Doch so sehr sie auch mit ihm ins Bett wollte, in ihrem Hinterkopf ertönte eine kleine warnende Stimme.
Sie war nicht ehrlich zu ihm gewesen. Er war nicht der erste Mann, den sie in einer Bar aufgegabelt hatte. Wirklich nicht! Doch während sie mit anderen Männern nichts anderes als einen ausgelassenen Abend ohne jede Verpflichtung suchte, wollte sie von Julian mehr. Genevieve wusste nicht warum â sie kannte ihn kaum â, aber es war so. Sie stellte sich vor, mit ihm Kaffee zu trinken, ein gemeinsames romanÂtisches Abendessen, lange Spaziergänge am Strand â all die kitschigen
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