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Kinder der Stürme

Kinder der Stürme

Titel: Kinder der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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hatte, eng zusammen. Die Luft war hier kühler: Der Frühling hatte die Berggrenze noch nicht überschritten. Es gab weder Blumen noch zarte Efeuranken, um den dunklen Felsen aufzuhellen. Die einzigen Vogelstimmen, die man hören konnte, gehörten den Aasmöwen.
    Eine ältere narbengesichtige Landwächterin mit einem Messer im Gürtel und einem Bogen auf dem Rücken kam ihnen entgegen, als sie gerade das Tal erreicht hatten.
    Sie fragte sie aus, durchsuchte sie und nahm Evans medizinische Ausrüstung in Augenschein, bevor sie sie durch zwei Kontrollstellen und das Tor zur Festung begleitete. Maris bemerkte, daß noch mehr Landwachen auf den hohen dicken Mauern patrouillierten als bei ihrem letzten Besuch. Auch fand das Exerzieren der Truppen im Hof mit besonderer Schärfe statt.
    Der Landmann begrüßte sie in der äußeren Halle. Bis auf seine Leibgarde, die ständig fünf Schritte hinter ihm stand, war er allein. Als er Maris sah, verdunkelte sich sein Gesicht, und er herrschte Evan an: „Ich habe nach dir schicken lassen, Heiler, und nicht nach der flügellosen Fliegerin.“
    „Maris ist jetzt meine Assistentin“, sagte Evan ruhig. „Wie du wissen solltest, ist sie keine Fliegerin mehr.“
    „Einmal Flieger, immer Flieger“, schimpfte der Landmann. „Sie hat Fliegerfreunde, und wir können sie hier nicht gebrauchen. Die Sicherheit …“
    Evan unterbrach ihn. „Sie ist eine angehende Heilerin. Ich verbürge mich für sie. Der Eid, der mich bindet, bindet auch sie. Wir werden nichts von dem erzählen, was hier geschieht.“
    Der Landmann sah immer noch verärgert aus. Maris war starr vor Wut – wie konnte er so über sie sprechen und so tun, als wäre sie gar nicht anwesend.
    Schließlich sagte der Landmann voller Widerwillen: „Ich traue dieser ‚Anfängerschaft 4 nicht, aber ich will dein Wort in bezug auf sie annehmen. Doch denk daran, falls sie etwas von dem, was sie hier heute sieht, nach außen trägt, werdet ihr beide gehängt.“
    „Wir haben uns sehr beeilt, um hierher zu kommen“, sagte Evan kühl, „aber an deinem Verhalten sehe ich, daß kein Grund zur Eile besteht.“
    Ohne etwas zu sagen, wandte sich der Landmann um und ließ eine weitere Landwache rufen. Dann verließ er sie, ohne sich noch einmal umzudrehen.
    Die Landwachen, beide jung und schwerbewaffnet, führten Evan und Maris eine steile Steintreppe hinunter in einen Tunnel, der in den Felsen geschlagen worden war. Er lag wesentlich tiefer als die Wohnräume der Festung. In großen Abständen brannten Fackeln an den Wänden und hüllten alles in ein unbestimmtes, flackerndes Licht. Die Luft in dem engen niedrigen Tunnel roch nach Schimmel und beißendem Rauch. Maris litt plötzlich unter Klaustrophobie und ergriff Evans Hand.
    Schließlich gelangten sie in einen Korridor, der sich gabelte und der mit schweren Holztüren verschlossen war. An einer dieser Türen hielten sie an. Die Wächter schoben die schweren Riegel, mit denen die Tür verschlossen war, beiseite. Hinter dieser Tür lag eine kleine Zelle mit einem hohen runden Fenster. Auf dem Boden lag ein Strohsack. An einer Wand lehnte eine junge Frau mit langen blonden Haaren. Ihre Lippen waren geschwollen, sie hatte ein blaues Auge, und auf ihrer Kleidung zeigten sich Blutspuren. Maris brauchte einen Augenblick, um sie wiederzuerkennen.
    „Tya“, sagte sie verwundert.
    Die Landwachen ließen sie allein, verschlossen die Tür von außen und gaben ihnen die Zusage, daß sie draußen warten würden, falls man sie brauchte.
    Während Maris verständnislos dreinblickte, ging Evan zu Tya. „Was ist geschehen?“ fragte er.
    „Die Gorillas des Landmannes waren nicht gerade zärtlich, als sie mich festnahmen“, sagte Tya in ihrer kühlen ironischen Art. Es klang als spräche sie über jemand anders. „Vielleicht war es auch mein Fehler, daß ich mich gewehrt habe.“
    „Wo bist du verletzt?“ fragte Evan.
    Tya zog eine Grimasse. „Dem Gefühl nach haben sie mir das Schlüsselbein gebrochen und einen Zahn ausgeschlagen. Das ist alles, nur Kratzer, sonst nichts. Das Blut stammt von meinen Lippen.“
    „Maris, gib mir die Tasche“, sagte Evan.
    Maris brachte sie ihm. Sie sah Tya an. „Wie konnte er eine Fliegerin einsperren? Warum?“
    „Ich werde des Verrates beschuldigt“, sagte Tya. Dann keuchte sie, weil Evans Finger ihren Hals abtasteten.
    „Setz dich hin“, sagte Evan und half ihr dabei. „Das ist besser.“
    „Er muß verrückt sein“, sagte Maris. Die Nachricht

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