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Kinder der Stürme

Kinder der Stürme

Titel: Kinder der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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einer Handbewegung zurück. „Das Messer gehörte meinem Vater. Es war das einzige wertvolle Ding, das er je besaß. Ich trage es immer bei mir.“ Er steckte es in die Scheide zurück.
    „Es ist aber Fliegertradition“, beharrte S’Rella mit verwundert klingender Stimme.
    Val lächelte hämisch. „Tatsächlich? Aber ich bin doch nur ein halber Flieger. Zurück, S’Rella.“ Als sie zurückwich, sprang er vom Felsen.
    Maris ging zum äußersten Rand der Plattform und stellte sich zwischen Sena und S’Rella. Sie beobachteten Val, der spiralförmig nach oben stieg, um Damen zu erreichen. Hinter ihr sprach man über ihn. „Einflügler“, hörte sie eine Stimme, vielleicht die von Liane. Auch Damen hatte ihn so genannt, nachdem Val ihn verspottet hatte. Der Typ von den Östlichen Inseln verschenkt keine Zeit, wenn es darum geht, sich Feinde zu schaffen, dachte Maris und sprach ihren Gedanken unbewußt laut aus.
    „Die Flieger haben keine Zeit vergeudet, einen Feind in ihm zu sehen“, antwortete Sena. Selbst ihr krankes Auge war auf Val und Damen gerichtet, die einander wie Aasgeier umkreisten. „Du mußt das Kommando geben, Maris“, erinnerte Sena.
    Maris legte die Hände trichterförmig an den Mund. „Fliegt los“, rief sie. Der Wind fing ihre Worte auf und trug sie hinauf.
    Damen hatte seinen Kreis als erster beendet und glitt so gemächlich über das Wasser, als gehöre ihm alle Zeit der Welt. Val Einflügler lag dicht hinter ihm, seine breiten Flügel glichen ein wenig einer Wetterfahne. Sie schlugen hin und her, als könne er die Balance nicht halten. Beide Flieger hielten sich dicht über dem Wasser. Maris legte eine Hand an die Stirn, um ihre Augen vor dem auf den Flügeln glitzernden Sonnenlicht zu schützen.
    Auf halbem Wege zur ersten Wende hatte Damen seinen Vorsprung vergrößert, während Val an Höhe gewann. „Der Wind frischt auf“, kommentierte Sena. Maris nickte. Es sah auch nach Seitenwind aus. Sie mußten sich anstrengen; es würde kein einfaches Unterfangen werden, sich von der Brise dorthin tragen zu lassen, wo sie hinwollten.
    Damen erreichte die Felsen als erster und setzte zur Wende an. Die Holzflügelschüler schrien auf. Damen lag vorn, aber bei der Wende verlor er Zeit. Er drehte sich langsam und trieb zu weit ab, und einen Augenblick schwankte er bedrohlich, als er direkt gegen den Wind anflog. Dann hatte er sich wieder unter Kontrolle, aber auf seinem Rückflug schien er weniger sicher.
    Noch vor der Wende legte sich Val gegen den Wind. Er änderte seinen Kurs und stieg. Nach und nach holte er auf. Er flog höher als Damen, lag aber beträchtlich zurück. Als er endlich den Wendepunkt passiert hatte, war Damen schon auf halber Strecke zum Start. Aber Vals Wende war enger und sauberer als die seines Rivalen.
    „Damen schlägt ihn“, rief Liane. Damen flog über sie hinweg. „He, Damen!“ schrie Liane, mit trichterförmig vor den Mund gelegten Händen. „Tempo!“ Damen drehte langsam – wieder war sein Wendekreis zu groß – und wippte mit dem Flügel, um auf die Zurufe zu antworten, aber diese Geste kostete ihn Zeit. Für einen Augenblick verlor er den Wind unter den Flügeln. Er sackte unvermittelt gefährlich tief ab, und als er an ihnen vorüberflog, befand sich plötzlich der massige Block der Felsenfestung zwischen ihm und seinem Rückenwind. Er trieb schwerfällig dahin, verlor an Geschwindigkeit und mußte kämpfen, um wieder an Höhe zu gewinnen.
    Val vermied einen solchen Fehler. Er flog eine enge Wende und hielt sich hoch genug, so daß er nicht das kleinste Lüftchen einbüßte. Außerdem schien er jetzt viel schneller zu fliegen.
    „Val hat es gewonnen“, sagte Maris plötzlich. Die Worte waren ihr einfach so herausgerutscht, ohne daß sie es beabsichtigt hätte.
    Sena lächelte, und S’Rella blickte verdutzt drein. „Aber Maris, sieh doch. Damen liegt vorn.“
    „Damen reitet nur auf den Winden“, erklärte Maris, „aber Val benutzt sie. Er hat nur die richtige Windströmung gesucht, und jetzt hat er sie gefunden. Paß auf, S’Rella.“
    Ihre Worte wurden bald bestätigt. Während die Flieger wieder auf die Felsen zusteuerten, schmolz Damens Vorsprung dahin. Der Holzflügelschüler kam böse vom Kurs ab, als er eine engere Wende zu fliegen versuchte. Nachdem er sich wieder gefangen hatte, war Val am Wendepunkt angelangt. Und als einige Sekunden später die Schatten von Vals Flügel auf Damens fielen, war dieser sichtlich verdutzt. Dann kroch der

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