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Kinder der Stürme

Kinder der Stürme

Titel: Kinder der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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Zuneigung benagte ihr nicht.
     
    Sie war wütend wegen der Sache mit Arak. Sie hatte emotional, wenn nicht sogar irrational reagiert. Sie hatte kein Recht, so wütend zu sein. Man konnte einen Flieger nicht für die Nachricht, die er überbrachte, verantwortlich machen, das sagten ihr sowohl der normale Menschenverstand als auch die Fliegerlegenden. Maris selbst hatte zwar niemals eine Nachricht übermittelt, die jemand den Tod brachte, aber sie hatte Informationen weitergeleitet, aufgrund deren eine Frau wegen Diebstahls eingesperrt wurde. Hegte diese Frau ebenso einen Groll gegen Maris wie gegen den Landmann, der die Verhaftung angeordnet hatte?
    Maris steckte die Hände in die Taschen und hob die Schultern, um sich gegen den eisigen Wind zu schützen. Mit gerunzelter Stirn überdachte sie immer wieder ihr Problem. Arak war ein unangenehmer Mensch, und vielleicht empfand er sogar Vergnügen bei dem Gedanken, ein Instrument der Rache gegen einen Mörder zu sein. Außerdem hatte er zweifellos Vorteile aus der Situation gewonnen. Val und seine Mutter waren für ihn billige Arbeitskräfte gewesen, wenngleich er scheinheilig über seine Großzügigkeit sprach.
    Als sie sich dem Gasthaus näherte, in dem Val abgestiegen war, legte sich Maris noch immer Argumente zurecht. Arak war ein Flieger, und Flieger konnten sich nicht weigern, eine Botschaft zu übermitteln, ganz gleich, ob sie nicht willkommen war oder ungerecht klang. Sie durfte es nicht zulassen, daß ihre Abneigung diesem Mann gegenüber sie dazu brachte, ihn für die Exekution an Vals Vater (gerechtfertigt oder nicht) verantwortlich zu machen. Und das war etwas, das Val, wenn er jemals mehr sein wollte als Einflügler, würde verstehen müssen.
    Das Gasthaus war ein schäbiger Laden. Seine Einrichtung war dunkel und kalt und roch nach Schimmel und Moder. Das Feuer war zu klein, um den Hauptraum genügend zu erwärmen, und die Kerzen auf den Tischen qualmten. Val spielte mit drei dunkelhaarigen, schwergewichtigen Frauen in braungrünen Landwachtuniformen Würfel, aber er kam sofort mit einem Glas Wein in der Hand zu ihr, nachdem sie ihn angesprochen hatte.
    Während sie sprach, trank er seinen Wein. Sein Gesicht war verschlossen und ruhig. Als sie geendet hatte, verschwand sein schwaches Lächeln sofort. „Warmherzigkeit und Großzügigkeit“, sagte er. „Arak hat beides im Überfluß.“ Danach sagte er nichts mehr.
    Die Stille dauerte unangenehm lange. „Ist das alles, was du zu sagen hast?“ wollte Maris schließlich wissen.
    Vals Gesichtsausdruck änderte sich ein wenig, die Linien um seinen Mund wurden tiefer, seine Augen schmaler. Er sah härter aus als jemals zuvor. „Welchen Kommentar hast du von mir erwartet, Fliegerin? Hast du geglaubt, ich würde dich umarmen und ein Lied anstimmen, um dein Verständnis zu preisen? Wie?“
    Die Wut in seiner Stimme erschreckte Maris. „Ich, ich weiß nicht, was ich erwartete“, sagte sie. „Aber ich wollte dich wissen lassen, daß ich verstehe, was du durchgemacht hast, und auf deiner Seite stehe.“
    „Ich will nicht, daß du auf meiner Seite stehst“, sagte Val. „Ich brauche weder dich noch deine Sympathie. Und wenn du denkst, ich schätze es, wenn du in meiner Vergangenheit herumschnüffelst, liegst du falsch. Was sich zwischen Arak und mir zugetragen hat, ist unsere Sache, nicht deine, wir brauchen dein Urteil nicht.“ Er trank seinen Wein aus und schnalzte mit den Fingern. Der Kellner kam und stellte eine Flasche zwischen die beiden auf den Tisch.
    „Du wolltest dich verständlicherweise an Arak rächen“, sagte Maris trotzig, „aber dein Verlangen nach Rache richtet sich gegen alle Flieger. Du hättest Arak herausfordern sollen, nicht Ari.“
    Val füllte sein Glas erneut und kostete.
    „Deine romantische Einstellung weist einige Probleme auf“, sagte er etwas ruhiger. „Zum ersten hatte Arak in dem Jahr, als Luftheim mich förderte, keine Flügel. Sein Sohn hatte das Alter erreicht, und Arak hatte sich zur Ruhe gesetzt. Vor zwei Jahren erkrankte sein Sohn an einem Fieber und starb. Arak nahm die Flügel wieder in Besitz.“
    „Ich verstehe“, sagte Maris. „Und du hast den Sohn nicht herausgefordert, weil er dein Freund war.“
    Val lachte grausam. „Kaum. Der Sohn war ein kranker Tyrann, der seinem Vater jeden Tag ähnlicher wurde. Ich habe keine Träne vergossen, als sie ihn ins Meer warfen. O ja, einst spielten wir zusammen, als er noch klein war und nicht begriff, wie weit über mir

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