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Kjell. Das Geheimnis der schwarzen Seerosen

Kjell. Das Geheimnis der schwarzen Seerosen

Titel: Kjell. Das Geheimnis der schwarzen Seerosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Boyd
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massiven
Küchentisch. Ben schnappte sich ein Schälmesser, um lustige
Figuren aus Kartoffeln und Möhren zu schnitzen. Ich schaute ihm
mit großen Augen zu. Mein großer Bruder war immer mein
Held gewesen, auch wenn er es geliebt hatte mich zu necken.
»Buuuuhuuu, ich bin ein Gespenst!«, rief Ben und warf mir
eine geschnitzte Kartoffel zu.
    »Mama, Ben
wirft mit Geisterkartoffeln nach mir«, quietschte ich.
    Meine Mutter drehte
sich um und stützte dabei ihre Hände in die Hüften.
»Vielleicht wäre es besser, wenn ihr die Geister in die
Suppe werfen würdet.« Unsere Mutter war eine praktische
Frau gewesen.
    Ben sammelte seine
Figuren ein und brachte das Gemüse zum Herd. »Was ist denn
das für ein Geist?«, fragte unsere Mutter, als sie eine
malträtierte Mohrrübe betrachtete, die Ben ihr gereicht
hatte.
    »Das ist doch
kein Geist, das ist eine Schlange!«, erklärte Ben ernst.
    »Aha«,
murmelte Mutter und lächelte, während sie die
Karottenschlange zu den Kartoffelgeistern in die Suppe gab. In diesem
Moment betrat mein Vater die Küche und fragte: »Was gibt
es zu essen?«
    Todernst erwiderte
meine Mutter: »Schlangensuppe.«
    Ich werde nie das
verdutzte Gesicht meines Vaters vergessen, als meine Mutter mit einem
Lächeln hinzufügte: »Oh, natürlich mit einer
Prise Gespenster. Genauso wie du es magst, Schatz!«
    Ben und ich waren
damals in Gelächter ausgebrochen, bis wir Bauchschmerzen hatten.
Das Ziehen, das ich jetzt in meinem Bauch verspürte, kam nicht
vom Lachen. Ich stützte mich auf einen der Küchenstühle.
Ich musste mich setzen. Die schönen Erinnerungen waren noch so
lebendig! Die Vergangenheit war in diesem Haus so zum Greifen nah,
dass es wehtat.
    Es waren
unbeschwerte Tage gewesen in jenen Sommer. Ich hatte auch immer gerne
an diesem Holztisch gesessen und meiner Mutter geholfen, das Essen
vorzubereiten. Sie hatte mir früh beigebracht, einfache Gerichte
zu kochen und es hatte mir immer viel Spaß gemacht. Ich fühlte
mich damals sehr erwachsen und war glücklich gewesen, wenn meine
Mutter mich gelobt hatte. »Das machst du sehr gut, Schatz. Ich
bin stolz auf dich. Du bist schon ein richtig großes Mädchen«,
hatte sie oft gesagt. In den letzten Jahren hatte ich das Kochen für
unsere kleine Familie komplett übernommen, weil meine Mutter oft
einfach nur da saß und vor sich hin starrte, wenn ich aus der
Schule kam. Ich kochte sogar gerne, denn es gab mir ein Gefühl
von Normalität und Geborgenheit. Oft wenn mein Vater dann abends
nach Hause gekommen war, hatte ich ihn angelogen. »Sieh mal,
was Mami für uns zum Abendessen gemacht hat«, sagte ich zu
ihm. Er sah mich dann mit diesem verzweifelten Blick an und strich
mir über den Kopf. Ich hatte mich wirklich bemüht, doch
stolz war meine Mutter nie mehr auf mich gewesen.
    Der Kloß in
meiner Kehle wurde immer größer und nun konnte ich meine
Tränen nicht mehr zurückhalten. All die aufgestauten
Gefühle strömten aus mir heraus. Ich war so wütend und
fühlte mich so verzweifelt. Ich spürte, wie die Taubheit
von mir wich – dieses Gefühl von Leere und Hilflosigkeit,
als die Polizei anrief und mir mitteilte, dass meine Eltern ums Leben
gekommen waren, weil ein betrunkener Fahrer eine rote Ampel
überfahren hatte. Ich hatte es nicht glauben wollen. Die
Beileidsbekundung des Beamten hatte durch das Telefon hohl und
irgendwie falsch geklungen. Warum war niemand gekommen, um es mir
persönlich zu sagen? Gehörte es sich nicht so, dass man die
Hinterbliebenen persönlich aufsuchte? So hatte ich es nicht
glauben wollen, bis zur Beerdigung. Wie ferngesteuert organisierte
ich alles. Die Zeremonie hatte schlicht sein sollen. Meine Eltern
wollten keine große Beerdigung. Ich erinnerte mich, dass ich
bei der Trauerfeier etwas abseits stand. Die Freunde meiner Eltern
und die wenigen Verwandten redeten über unsere Familie, als wäre
ich nicht dort gewesen. Doch ich hatte jedes ihrer Worte gehört.
    »Schrecklich«,
hatte Großtante Gisela in ihr Taschentuch geschluchzt, »und
man hat diesen Trunkenbold immer noch nicht gefasst. Was macht die
Polizei. Wofür bezahlen wir Steuern? Sag doch auch mal etwas,
Ulrich!«
    Großonkel
Ulrich hatte daraufhin etwas Unverständliches gemurmelt und
verlegen zu mir herübergeschaut.
    »Grausam, erst
diese schreckliche Sache mit dem Sohn und wenige Jahre später
sterben die Eltern«, hatte sich unsere Nachbarin Frau
Buschmeier eingemischt.
    »Na ja, seit
der Sache damals, war die Familie sowieso so gut wie

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