Knochenzeichen
auf das leere Straßenband hinter ihm. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Seit er die Funde in dieser Höhle gemeldet hatte, hatte ihn Andrews an der Kandare wie einen Zirkusaffen. Zuerst hatte er Polizisten dorthin führen müssen. Herumlungern, während sie ihre Arbeit machten. Dann waren die endlosen Fragen gekommen.
Und jetzt sollte er sich von irgendeiner Sonderermittlerin herumkommandieren lassen, die das Sheriffbüro engagiert hatte. Das bessere Kindermädchen für eine Polizistin zu spielen – oder zumindest so etwas Ähnliches – versprach schlimmer zu werden als die schlimmste Nervensäge von Kunde, die ihm bisher über den Weg gelaufen war. Zumindest hatte er eine Wahl, eher er einen Kunden annahm.
Genau, dass er hier keine Wahl gehabt hatte, ärgerte ihn am meisten.
Er sah den Streifenwagen auf sich zukommen. Zach setzte die Sonnenbrille auf und stieg aus seinem Trailblazer. Er würde garantiert nicht nach Eugene runterfahren und wieder zurück, wenn er erst einmal gehört hatte, was die Sonderermittlerin wollte. Und schon gleich dreimal würde er sich nicht mit den Cops bei ihm zu Hause verabreden. Whispering Pines war sein Rückzugsort. Seine Zuflucht. Gäste wurden nur in den seltensten Fällen dorthin gebeten.
Ein dunkelblauer Geländewagen bog hinter dem Wagen des Sheriffs von der Straße ab. Es wunderte ihn nicht, Mitch Barnes aus dem vorderen Auto steigen zu sehen. Soweit Zach gehört hatte, erledigte Barnes den größten Teil der Drecksarbeit für Andrews, während sie sämtliche Lorbeeren kassierte. Er war der erste Polizist gewesen, der Zach in jene Höhle gefolgt war. Sheriff Andrews bemühte sich natürlich nicht hinein, obwohl sie vor Ort gewesen war und den Einsatz am Castle Rock geleitet hatte, während ihre Leute die Knochen herausschleppten. Wenn Barnes sich noch einmal in der Höhle umschauen wollte, brauchte er nun wirklich nicht Zach dazu. Er wusste ja, wo sie lag.
Da fragte man sich doch unwillkürlich, ob das nur eine weitere Anwandlung von Andrews war, ihn springen zu lassen, um ihm zu zeigen, wer das Sagen hatte.
Er ging auf den Deputy zu, der am Straßenrand auf ihn zukam. Die Fahrerin des Geländewagens stieg ebenfalls aus, doch Zach konzentrierte sich auf Barnes. Er war kein übler Typ für einen Cop. Vielleicht konnte er ihn zu einer Änderung der Pläne überreden. Zach hatte sich schon damit abgefunden, dass er aus dieser Zwangsverbindung mit dem Sheriff’s Department nicht herauskam. Aber Andrews musste ja nicht unbedingt wissen, ob er derjenige war, der Kindermädchen spielte, oder ob einer von Zachs Angestellten diese Aufgabe übernahm.
Obwohl er nicht wusste, ob er überhaupt einen Mitarbeiter hatte, den er so wenig mochte, dass er ihm diesen Job aufhalsen wollte.
»Barnes«, sagte er anstelle einer Begrüßung. Der andere Mann nickte. Ohne Umschweife sprach er weiter. »Vielleicht können wir beide eine Abmachung treffen …«
»Sharper, ich möchte Ihnen Caitlin Fleming vorstellen, eine Sonderermittlerin, die fürs Sheriff’s Department arbeitet. Sie ist von Raiker Forensics.«
Der Tonfall des Mannes ließ seinen letzten Satz bedeutungsschwanger klingen. Doch es waren die vorangegangenen Worte, die Zach ungläubig stutzen ließen. Er zog die Sonnenbrille herunter und musterte die sich nähernde Frau – musterte sie eingehend.
Die meterlangen Beine könnten stimmen. Und sie war groß genug, nur knapp zehn Zentimeter kleiner als er mit seinen eins neunzig. Die unglaublichen Wangenknochen waren ihm ebenfalls vertraut. Doch es war das dicke schwarze Haar, das den Ausschlag gab, obwohl sie es jetzt kürzer trug als vor all den Jahren. Sie brauchte ihre getönte Brille gar nicht abzunehmen, denn er wusste auch so, dass die Augen dahinter moosgrün waren und jeden lebenden Mann auf der Stelle in einen wandelnden Ständer transformierten.
Mit barscher Stimme wandte er sich an den Deputy. »Soll das vielleicht ein Witz sein?«
Barnes blinzelte. »Was?«
»Ich meine, verfolgen jetzt Übertragungswagen und Fernsehkameras jeden unserer Schritte?« Großer Gott, was für ein Desaster. Er sah es bereits lebhaft vor sich. Es wimmelte doch auf allen Fernsehsendern von sogenannten Doku-Soaps, in denen verzweifelte Promis auftraten, und er konnte sich gut vorstellen, was hier ablief. »Ich habe nicht vor, an einer Reality-TV-Show teilzunehmen oder bei was zum Teufel sie da mitmacht. Sie können Sheriff Andrews sagen, der Deal ist geplatzt.« Andrews hatte
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