König Artus
komme mit meiner Übersetzung des Morte voran, aber von einer Übersetzung hat die Arbeit nicht mehr als Malorys Werk. Ich behalte alles bei, aber es ist ebenso sehr von mir, wie sein Werk von ihm war. Ich habe Ihnen geschrieben, daß ich glaube, ich habe vor Malory keine Angst mehr, weil ich weiß, ich kann für meine Zeit besser schreiben, als er es gekonnt hätte, genauso wie er für seine Zeit besser schrieb als irgendein anderer.
Die Freude, die ich daran habe, läßt sich nicht beschreiben. Ich stehe schon früh am Morgen auf, damit ich den Vögeln eine Zeitlang zuhören kann. Sie sind um diese Stunde stark beschäftigt. Manchmal tue ich mehr als eine Stunde nichts anderes als schauen und lauschen, und daraus erwächst eine Fülle von Ruhe und Frieden und etwas, was ich nur als kosmisches Gefühl bezeichnen kann.
Und wenn dann die Vögel ihre Geschäfte besorgt haben und die Landschaft an ihr Tageswerk geht, steige ich hinauf zu meinem kleinen Zimmer, um zu arbeiten. Und die Zeit, die zwischen Hinsetzen und dem Beginn des Schreibens vergeht, wird mit jedem Tag kürzer.
Wieder eine Woche vorüber, und womit ist sie vergangen? Mit der täglichen Arbeit und Briefeschreiben und der Ankunft des Frühlings und Gartenarbeit und Besuchen bei Morlands in Glastonbury, um beim Bearbeiten der Schafshäute zuzusehen, wie sie seit vorgeschichtlichen Zeiten bearbeitet werden. Ich weiß erstens nicht, wie die Woche so rasch vergehen, und zweitens nicht, wie in dieser Woche so viel zustande gebracht werden konnte (S. 570/571).
Aber als er zu spüren begann, daß es für ihn nicht um eine Malory-Übertragung, sondern um einen eigenen Artus-Roman gehen mußte, setzte die Krise ein. Möglichkeit und Unmöglichkeit eines neuen schöpferischen Aufbruchs spiegeln sich in den zunehmend größeren Abweichungen von Malory. Die Zusätze sind heterogen und wollen sich nicht so recht zu einem Ganzen verbinden. Nach längeren Zusätzen kehrt Steinbeck gleichsam reumütig und hilflos zur direkten Malory-Übertragung zurück. Als ein Viertel des Textes bearbeitet ist (die sechs Bücher der Tale of King Arthur und The Noble Tale of Sir Launcelot Du Lake ), schließt er sein Manuskript geschickt mit einem Ausblick auf die Liebestragödie von Lancelot und Guinevere ab. Aus den begleitenden Briefen spricht die Niedergeschlagenheit über das Scheitern des Übersetzungsprojekts und – menschlich noch bewegender – über die Unmöglichkeit eines neuen künstlerischen Aufschwungs:
Heute geht es nach Glastonbury, wo ich wieder beim Ausgraben zusehen will. Nächste Woche fahren wir in den Süden, um den ganzen Cornwall-Komplex abzuklappern. Wir werden vielleicht eine Woche oder zehn Tage fort sein. Alles, um Material für die Zukunft zu speichern. Ich bin unzufrieden damit, wie ich an die ganze Sache herangehe, ganz und gar unzufrieden. Vielleicht ergibt sich irgend etwas Neues. Ich weiß es nicht (632).
Was meine Arbeit anbetrifft – damit bin ich zutiefst unzufrieden. Es hört sich einfach wie ein Aufguß an, wie eine Wiederholung von Dingen, die ich früher geschrieben habe. Vielleicht ist die Flamme erloschen. Das ist ja bekanntlich schon vorgekommen, und ich weiß nicht, warum es nicht auch mir passieren sollte. Ich schreibe voll Begeisterung Dinge aufs Papier, und dann zeigt sich, daß es das gleiche alte Zeug ist, nichts Neues, Frisches, nichts, was nicht schon besser gesagt worden wäre. Vielleicht liegt meine Zukunft in gefälligen, geschickt gemachten Zeitungsartikeln mit einem Körnchen Originalität und ohne jeden Tiefgang.
Nun ja, darüber können wir sprechen, wenn ich zu Hause bin. Ich habe einen Haufen Material … und weiß nicht, was ich damit anfangen soll, und ich bin zu alt, um mir etwas vorzumachen (633).
Trotz dieser schmerzlichen Eingeständnisse des Künstlers hat er ohne Zweifel ein recht interessantes und attraktives Werk geschaffen. Wie er zunächst auch selbst befriedigt feststellt, regeneriert sich seine eigene Sprache im Umgang mit Malory (»die Wörter, die meiner Feder zuströmen, sind ehrliche, kraftvolle Wörter … , sie fügen sich zu Sätzen zusammen, die mir einen Rhythmus, so ehrlich und unerschütterlich wie ein Herzschlag, zu haben scheinen«, 569). Das Ergebnis ist ein einleuchtend modernisiertes Vokabular, eine harmonisierte, lesbare Syntax und eine Ergänzung der Beschreibung, die dem modernen Leser, wie im Beispiel der Schilderung von Artus’ und Guineveres Hochzeit, ein anschauliches Bild
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