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Königskind

Königskind

Titel: Königskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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überaus ergötzlich fanden, so glücklich war man. Blaß und mit angespannten Zügen, denn seit
     vier Tagen hatte er kaum geschlafen, stand Ludwig auf dem Gipfel des Glücks. Ihm war, als hätte er Flügel, seit er sich befreit
     hatte von doppelter Tyrannei, er drückte Hände, dankte, und bald lachte er in höchsten Tönen, bald hielt er sich die Hand
     vor den Mund, weil ihn so ausgelassenes Lachen gegen seine Würde dünkte. Und wie erstaunlich: er, der als so schüchtern und
     einsilbig galt, redete und redete mit den einen, den anderen, antwortete Schlag auf Schlag.
    Dem Präsidenten Miron, der sich entschuldigte, den Befehlen der Königin gehorcht zu haben, erwiderte er: »Ihr habt getan,
     was Ihr tun mußtet, so wie auch ich getan habe, was ich tun mußte.« Einem anderen Besucher sagte er: »Man hat mich sechs Jahre
     Maultiere durch die Tuilerien treiben lassen. Es wird Zeit, daß ich meines Amtes walte.« Und weil die Erinnerung an seine
     nichtigen Beschäftigungen in der Zeit, da man ihn erzog, ›um nicht König zu werden‹, ihn in seinem gegenwärtigen |461| Glück überkam, erklärte er sein früheres Betragen noch deutlicher gegenüber dem Kardinal de La Rochefoucauld. Als der Prälat
     ihn so von allen Seiten belagert sah und sagte: »Sire, von nun an werdet Ihr anders in Anspruch genommen sein, als Ihr es
     bis heute wart«, antwortete er: »Mit nichten . Das Kind zu spielen hat mich viel mehr beschäftigt, als ich es künftig mit den Staatsgeschäften sein werde.«
    Er vernachlässigte diese Geschäfte trotzdem nicht, handelte vielmehr rasch mit Weisheit und Umsicht, ein so großes Tohuwabohu
     auch um ihn herrschte. Er weigerte sich, Prinz Condé freizulassen, bis die Großen nicht zur Besinnung gekommen wären, setzte
     Concinis Minister ab und rief die
Graubärte
zurück. Am Nachmittag stieg er zu Pferde und zog mit seinen Garden und dreihundert Edelleuten durch die großen Straßen von
     Paris, und die Beifallsstürme und Hochrufe hielten noch an, nachdem er schon in den Louvre zurückgekehrt war.
    * * *
    Leser, geh jetzt mit mir noch einmal um Stunden zurück, damit ich dir
hic et nunc
eine weibliche Person vorstellen kann, die bedeutsam nur durch ihre Bedeutungslosigkeit ist, aber deren Namen die Welt bewahrt
     hat, weil sie zufällig am rechten Ort war, um eine einzige kleine Frage zu stellen und die erhaltene Antwort ihrer Herrin
     zu überbringen – eine Aufgabe, derer sie sich übrigens höchst unfreundlich entledigte, denn es war eine ungeschliffene, ja
     rohe Frau.
    Sie hieß Caterina Forzoni. Als Tochter der Amme Marias von Medici hatte sie mit ihr Florenz verlassen und lebte seit siebzehn
     Jahren am französischen Hof als Nachtzofe der Herrscherin: das heißt, sie schlief in ihrem Zimmer und wachte über ihren Schlaf,
     aber nur jede dritte Nacht, weil sie sich diese Aufgabe mit zwei anderen Bediensteten teilte. Kurioserweise wurde dieser doch
     wenig anstrengende Nachtdienst, wenn Herr oder Herrin gut schliefen, im Louvre ›auf dem Ritt sein‹ genannt.
    Caterina war also ›auf dem Ritt‹ in der Nacht vom dreiundzwanzigsten zum vierundzwanzigsten April und wurde mitten in der
     Nacht von einem lauten Schrei der Königin geweckt. Höchst ungehalten und mürrisch und ohne sich Mühe zu |462| geben, dies zu verbergen, stand Caterina von ihrer Matratze auf (die sie morgens zusammenklappte und in eine Abstellkammer
     packte), schlug Feuer und entzündete eine der sechs Kerzen auf dem königlichen Leuchter. Da sah sie die Königin mit verstörten
     Augen im Bett aufsitzen und beide Hände an ihre Brust pressen.
    »Ah, Caterina«
, rief sie,
»ho sognato un sogno orribile!«
1
    Und in einem Wortschwall erzählte sie ihren Alptraum. Man hatte sie vor ein Gericht gezerrt, furchtbarer Verbrechen angeklagt und zum Tode verurteilt. Aber außer durch ihr Zugegensein
     und das angezündete Licht trug Caterina wenig zur Beruhigung der Königin bei.
    »Un sogno è un sogno« 2 ,
sagte sie nur.
    Und als Maria sich nach einer Weile niederlegte, blies Caterina die Kerze aus, rollte sich wieder auf ihre Matratze und dachte:
     Gott sei Dank, dann schläft sie morgen länger.
    Tatsächlich schlief die Königin länger, ihre beträchtliche Masse regte sich erst um zehn Uhr. Caterina, die längst munter
     war und wußte, daß ihre Herrin beim Erwachen übellaunig war, stand auf, sowie sie diese Geräusche hörte, räumte flink ihre
     Matratze weg, zog sich im Handumdrehen an und schlich auf

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