Tod an der Förde
EINS
Es war ein
angenehmes Gefühl, das sich über den ganzen Körper ausbreitete. Ein wohliges
Prickeln lag auf der Haut und zog sich über den Nacken zum Kopf. Seine Nase
nahm den feinen Duft des Parfums von der jungen Frau an seiner Seite auf. Er
spürte ihre Wärme.
Ein Strahlen lag in
ihrem Blick. Dann streckte sie ihren Kopf empor und spitzte den Mund. Er
hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen.
Endlich war es so
weit. Annika hatte mit einem sanften Lächeln seinem vorsichtigen Drängen
nachgegeben. Sein Herz schlug schneller, das Blut pulsierte durch den Körper.
Die Dämmerung war
bereits hereingebrochen, und in der ruhigen Seitenstraße, die von der
Kiellinie, der Promenade am Ufer der Förde, zum Parkplatz seines Autos führte,
waren keine Passanten mehr unterwegs.
Lediglich ein gut
gekleideter Mann mittleren Alters schien ihren Weg kreuzen zu wollen. Der
Fremde war nur noch wenige Schritte entfernt. Offenbar angetrunken torkelte er
ihnen entgegen. Er hatte Probleme, sich auf den Beinen zu halten und stierte
die jungen Leute aus weit geöffneten, glasigen Augen an.
Jan nahm Annika
fester in den Arm und drängte sie an die Seite, aber der Fremde machte einen
Schlenker direkt auf die beiden zu. Er breitete die Arme aus. Es schien, als
wolle er sie aufhalten.
»He, was soll der
Scheiß?«, rief Jan, doch der Mann reagierte nicht darauf. Kurz bevor er Jan und
seine Freundin erreicht hatte, stolperte er, fiel nach vorn und riss dabei die
Arme hoch. Das junge Mädchen versuchte noch, sich mit einem Rückwärtsschritt
der Berührung zu entziehen, wurde aber von Jans Arm, der sie immer noch fest um
die Taille fasste, daran gehindert. Die Hände des Fremden glitten von Annikas
Bauch über ihren Unterleib an der Jeans hinab und fielen dann kraftlos auf das
Pflaster. Der Mannes lag jetzt ausgestreckt vor den beiden.
»Jan!« Annika
entfuhr ein Entsetzensschrei. Sie klammerte sich an ihn. Ein furchtbares
Zittern fuhr durch den schlanken Mädchenkörper. Auch Jan sah das Blut, das
unter dem Körper des Unbekannten herauslief. Jans Blick fiel auf Annika. Mit
seinen Händen hatte der Mann an der Kleidung des Mädchens eine blutige Spur
hinterlassen.
»Mein Gott«,
stammelte Jan. Vorsichtig löste sich der Junge aus der Umarmung seiner Freundin
und zog sie ein kleines Stück fort. »Wir müssen den Rettungsdienst rufen«,
jappte er und suchte in der Tasche seiner khakifarbenen Capri-Hose nach dem
Handy, während Annika immer noch gebannt auf den Unbekannten starrte.
»Hallo. Ja! Hier
liegt einer. In der Reventlouallee. Hausnummer?« Jan sah sich suchend um und
gab dann dem Beamten in der Leitstelle der Kieler Feuerwehr die genaue Adresse
durch. »Was mit ihm ist? Der blutet wie ein Schwein.«
Dann schwieg er
einen Moment.
»Wo denken Sie hin.
Das ist kein Märchen. Uns ist wirklich einer vor die Füße gestolpert!« Annika
hatte sich an seinem Arm festgekrallt, sodass er nur mit Mühe das Mobiltelefon
am Ohr halten konnte. »Natürlich warten wir hier. Nun machen Sie endlich, statt
mich hier mit unnötigen Fragen zu überfallen«, gab er zornig zurück. Er umarmte
Annika, nahm mit der anderen Hand ihren Kopf. Dann fuhr er sanft mit seiner
Hand über die Haare der schluchzenden jungen Frau.
»Das ist ja ‘nen
Ding«, murmelte er.
*
Kurze Zeit später wimmelte es in der Straße von
Einsatzfahrzeugen. Blaulichter rotierten und ließen ihre blauen Strahlenfinger
über die Fassaden der Häuser gleiten. Neben mehreren Streifenwagen und zwei
Rettungswagen der Kieler Feuerwehr trafen jetzt auch zwei VW -Variant ein, denen drei Männer und
eine Frau entstiegen.
»’n Abend«, grüßte einer der uniformierten Beamten und
gab den vieren den Weg zu der Stelle frei, an der sich ein Notarzt und zwei
Rettungsassistenten um den Mann auf dem Gehweg kümmerten.
Der bullige Arzt sah kurz auf die Neuankömmlinge,
wandte sich dann aber ohne ein Wort zu sagen wieder dem Opfer zu.
»Kripo Kiel«, stellte sich der hoch gewachsene Mann
mit dem gepflegten Bart bei den Männern des Rettungsdienstes vor. »Können Sie
schon etwas sagen?«
Ein böser Blick des Arztes streifte ihn. »Ich bin mit
anderen Dingen beschäftigt«, belehrte ihn der Mediziner.
Hauptkommissar Thomas Vollmers wandte sich ab. Der
Mann in der roten Weste hatte natürlich Recht. Vollmers sah, dass sich seine
drei Kollegen professionell um die Absicherung des Tatortes kümmerten. Sie
waren ein eingespieltes Team, das sich in zahlreichen Einsätzen bewährt
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