Komisch - die Liebe
Tuareg-Reise. Als ich durch den Sand Ski lief, warst du mein Bächlein, aber ein Bächlein, das versiegt
ist. Ein Delta ohne Meer,wie der Okavango, der sich mitten in der Wüste verläuft. Trocken. Hoffnungslos. Toter Fluss. Sackgasse. Endstation. Ich, die
lieblose Raupe. Das immer halbleere Glas. Das den Durst nicht löscht.
Ich, das Wüstenchamäleon.
Sorry, Clelia.
Vielleicht ist meine Verletzung größer als deine.
Hier regnet es nicht mehr. Kein Regen für mich.
Bore, eine komische Welle, die den Fluss hinaufwandert. Manche surfen sogar auf ihr. Sie entsteht aus einer Flutwelle, die
vom Meer kommend stromaufwärts läuft.
Ich bin auch eine Bore …
Verzeih mir.
D ie Zeit vergeht, und alles scheint wieder seine ursprüngliche Gestalt anzunehmen: die aus der Zeit vor Clelia.
Roma che dorme
von Riccardo »Galopeira« Angelini.
Bin ich glücklich? Nein.
Bin ich unglücklich? Auch nicht.
Ich bin immer ich, der gewohnte Nino.
Seit einem Monat habe ich sie nicht gesehen, genauer gesagt seit 28 Tagen. Im Februar wäre das ein Monat, aber wir haben Juli.
Ein warmer Juli, schwül und drückend. Rom ist mörderisch, was das anbelangt. Als hätte die Stadt Feuer gefangen und wolle
ihre Einwohner auf ganz kleiner Flamme rösten, oder besser noch dämpfen. Ist gesünder.
Die Windschutzscheibe, meine mir treu ergebene Windschutzscheibe, schützt mich, nicht vor dem Wind, sondern vor der warmen
Luft, die aus einem Profi-Haartrockner zu stammen scheint. Der Helm ist eine Qual. Ich kleide mich, als wäre ich der letzte
Freak auf dem Weg zum Strand. Dabei gehe ich zur Arbeit. Die Klimaanlage in der Buchhandlung ist das Beste, was es gibt auf
der Welt. Bei dem wenigen Luftaustausch zurzeit riecht man wieder mehr den Gestank nach nassem Hund, aber keiner beklagt sich.
Lieber Frische als Nicht-Gestank.
Fabio kommt herein. Ich habe ihn lange nicht gesehen.
»Mann, was für eine Hitze … Wie geht’s, Nino?«
»Gut, und dir? Wo kommst du her?«
Fabio wischt sich mit einem ziemlich affigen Taschentuch über die Stirn. Ohne zu antworten, sieht er sich um.
»Mann, wie das hier stinkt. Was sagen denn deine Kunden dazu?«
»Bis jetzt hat sich niemand beklagt. Du bist der Erste …«
»Ach ja, deine Kunden sind ja vorwiegend Anwälte. Berufslügner …«
Ich hebe den Blick gen Himmel.
»Also? Wie geht’s?«
Fabios Miene verändert sich. Er verliert seine typische Selbstsicherheit und sieht mich an, um gleich darauf den Blick zu
senken. Demütig. Traurig.
Dann mal Glück auf! Diesen Blick kenne ich. Ich habe ihn selbst durch sämtliche Museen Roms getragen.
»Barbara …«, sagt er mit kaum hörbarer Stimme.
»Was ist passiert?«
»Sie will mich nicht mehr sehen.«
»Aber ihr habt euch doch vor fast einem Jahr getrennt.«
Fabio lehnt sich an die Kasse. Er sieht aus wie Francesca Bertini in einer ihrer besten Rollen als verlassene Frau.
»Ich will wieder nach Hause. Aber sie will nicht.«
»Autsch …«
»Sie sagt, es sei aus.«
»Autsch …«
»Mehr fällt dir wohl nicht dazu ein? Scheiße noch mal.«
»Mein lieber Fabio, was soll ich dazu sagen?«
»Weiß ich doch nicht! Ich komme extra her, um dir das zu erzählen, und was sagst du? Autsch! Findest du das logisch?«
»Und wann bist du auf diese glorreiche Idee gekommen, zu Barbara zurückzukehren?«
»Vor drei Tagen. Ich liebe sie. Ich liebe sie immer noch und kann ohne sie nicht leben. Und außerdem die Kinder … Ich will
meine Familie wiederhaben.«
»Autsch …«
»Nino, du kannst mich mal.«
»Das kommt mir vertraut vor …«
Fabio legt los und erzählt mir von seiner Einsamkeit. Wie satt er das Singleleben hat. Ich höre ihm zu. Fabio ist ein komisches
Tier. Impulsiv. Launisch. Getrieben von einer Energie, die ihn manchmal unerträglich macht, aber auch unvorhersehbar liebenswert.
Er ist großzügig. Er tritt dem Leben mit vorgestreckter Brust entgegen. Ein echter Kämpfer. Es tut mir leid, ihn so verloren
zu sehen. Er ist Pragmatiker, praktisch veranlagt. Er hätte viel eher Ingenieur werden sollen als Architekt. Ich versuche,
ihn aufzuheitern, aber keine Chance. Er will nur zu seiner Barbara und den Kindern zurück. Ich verstehe ihn. Und sage ihm
das.
Ich sage ihm, er soll sich hinsetzen und still sein. Ich nehme das Telefon.
»Barbara? Ciao, hier spricht Nino.«
Fabio reißt die Augen auf.
Barbara begrüßt mich erfreut und liebenswürdig. Wir konnten uns immer gut leiden. Nicht, dass wir dicke Freunde
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