Komm mit mir nach Caracas
hatte, dass sie auf ihr Baby verzichten würde. Sie hatte die Hände in den Schoß gelegt, während man eine Riesensumme für die Behandlung ihrer Mutter ausgab, und dann die Flucht ergriffen. Sie hatte das Gesetz gebrochen, und dennoch hatte man sie unter Vortäuschung falscher Tatsachen zur Unterschrift bewogen - aber das konnte sie nicht beweisen.
Manchmal wachte sie nachts auf, weil sie geträumt hatte, dass man sie an die USA auslieferte und vor Gericht stellte, ihr dann das Baby wegnahm und nach Venezuela schickte, wo es bei seinem unmoralischen, skrupellosen Vater ein Leben in Luxus führen würde. Und selbst wenn sie keine Albträume hatte, schlief sie wegen ihrer Schwangerschaft immer schlechter.
Und wenn es ihr besonders schlecht ging, sah sie Raul im Geist vor sich. Raul Zaforteza, dunkelhaarig, atemberaubend attraktiv und gefährlich. Was für eine leichte Beute sie für ihn gewesen war! Denn sie hatte sich hoffnungslos in ihn verliebt - und es war das erste Mal in ihrem Leben gewesen, dass sie sich verliebt hatte. Sie hatte nur von einem Treffen zum nächsten gelebt, immer in der Angst, dass er vielleicht nicht kommen oder ihre Schwangerschaft bemerken würde. Sie lachte hysterisch auf. Die ganze Zeit hatte er gewusst, dass sie schwanger war. Schließlich war er der Vater ihres Babys ...
Eine Stunde später fuhr Polly zur Arbeit. Es war ein kühler, regnerischer Sommerabend. Diesmal nahm sie nicht den Bus, denn wenn das Baby erst einmal da war, würde sie jeden Penny brauchen.
Der Supermarkt, in dem sie im Schichtdienst als Kassiererin arbeitete, war hell erleuchtet und gut besucht. Als sie in der Garderobe ihren Mantel auszog, steckte die Filialleiterin den Kopf zur Tür herein und betrachtete sie stirnrunzelnd. „Du siehst sehr müde aus, Polly. Ich hoffe, dein Arzt weiß, was er tut, wenn er dir sagt, dass du immer noch arbeiten kannst."
Polly errötete, als die Filialleiterin wieder ging. Sie war seit zwei Monaten nicht mehr beim Arzt gewesen, aber bei ihrem letzten Besuch hatte man ihr geraten, sie solle sich schonen. Nur wie sollte sie sich schonen, wenn sie ihren Lebensunterhalt verdienen musste? Und wenn sie Sozialhilfe beantragte, würde man ihr zu viele unangenehme Fragen stellen. Daher fühlte sie sich völlig ausgelaugt.
Bei Dienstschluss war Polly sehr müde und daher froh, dass sie am nächsten Tag freihatte. Sie hängte sich ihre Tasche über die Schulter und verließ den Supermarkt.
Jetzt regnete es nicht mehr. Die Lichter der Straßenlaternen spiegelten sich auf dem nassen Asphalt, und das Wasser spritzte von den vorbeifahrenden Autos hoch und auf den Bürgersteig.
Polly ließ den Mantel offen, da sie ihn ohnehin nicht mehr zubekommen hätte. Jetzt dauert es nicht mehr lange, tröstete sie sich. Sie hatte das Gefühl, schon ewig schwanger zu sein, aber bald würde sie ihr Baby als eigenständigen Menschen kennen lernen.
Da sie ganz in Gedanken versunken war und den Kopf gesenkt hatte, merkte sie nicht, dass ihr jemand den Weg versperrte. Erst als sie fast mit ihm zusammenstieß, nahm sie den Mann wahr.
Sie schwankte und schrie auf, doch der Mann umfasste ihre Schultern und hielt sie fest. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, als sie den Kopf zurückbeugte, um ihrem Retter ins Gesicht zu sehen.
Es war Raul Zaforteza. Mit versteinerter Miene blickte er auf sie herab, und ihr jagte ein Schauer über den Rücken.
Vor Entsetzen begann Polly zu zittern, als sie seinem Blick begegnete. Seine Augen funkelten wie die eines Tigers, der im Begriff war, sich auf seine Beute zu stürzen.
„Es gibt keinen Ort auf der Welt, an dem du dich vor mir verstecken könntest", erklärte er mit dem für ihn so typischen Akzent, der alle möglichen Erinnerungen in ihr wachrief. „Die Jagd ist vorbei."
2. KAPITEL
„Lass mich los, Raul!" brachte Polly hervor. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals.
„Du erwartest ein Kind von mir", erwiderte Raul ruhig. „Welcher Mann würde da weggehen?"
Plötzlich verspürte sie einen heftigen Schmerz in den Schläfen, und ihr wurde übel.
Sie presste eine Hand an die Schläfe.
„Por Dios ... Was ist?" Er verstärkte seinen Griff, als sie schwankte. Im nächsten Moment hob er sie hoch und drückte sie an sich. Als er im Licht einer Straßenlaterne ihr Gesicht sah, fluchte er auf Spanisch.
„Lass mich runter ..." Die Ironie der Situation war ihr durchaus bewusst, denn es war das erste Mal, dass er ihr so nahe kam.
Raul ignorierte jedoch ihren Protest. Auf
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