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Kommissar Stefan Meissner 01 - Eine schoene Leich

Kommissar Stefan Meissner 01 - Eine schoene Leich

Titel: Kommissar Stefan Meissner 01 - Eine schoene Leich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Graf-Riemann
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und danach.
    Ilya kam einmal die Woche nach Kiew. Er war Arzt im Kraftwerk, auch damals, als das Unglück geschah, und einmal in der Woche hatte er Dienst im Kiewer Krankenhaus.
    Sie trafen sich meist am Nachmittag, schlenderten am Dnjepr entlang, liebten sich auf einer der Wiesen am Fluss, von Mücken geplagt, in seinem Wolga, den er aus Sentimentalität immer noch fuhr, obwohl er sich längst einen deutschen, französischen oder japanischen Wagen hätte leisten können, oder in der Tiefgarage. Sie liebten sich, wann immer es ging und sooft es ging. Und wenn er nicht mehr konnte, fuhren sie ins Café Puschkin. Wenn er frei war, saßen sie immer am runden Tisch im ersten Stock, gleich neben dem Treppenaufgang. Luba nahm als Erste die Treppe, und immer wenn sie dachte, sie seien unbeobachtet, hob sie für eine Sekunde ihren Rock, damit er ihren nackten Po und vielleicht etwas mehr sehen konnte.
    Er bestellte immer Kaffee, schwarz, sie immer heiße Schokolade. Und dann erzählte sie, und er hörte ihr zu, fragte nach, interessierte sich, wie sich noch nie ein Mann oder überhaupt ein Mensch für sie interessiert hatte.
    Manchmal, mitten im Gespräch, nahm sie unterm Tisch seine Hand und führte sie zwischen ihre Schenkel, um ihm zu zeigen, in welcher Erregung sie sich befand, während sie mit ihm am Tisch saß und redete. Sie erzählte dann einfach weiter, führte seine Hand wieder über den Tisch, zu ihrem Mund und glitt mit der Zunge über seine Finger, bevor sie ihn küsste.
    Meist musste er um acht schon fahren, manchmal um neun, und einmal, nur ein einziges Mal, hatten sie eine ganze Nacht für sich gehabt, in der nicht die Hälfte von dem passiert war, was beide sich erwartet hatten, weil sie nicht aufhören konnten, sich aus ihrem Leben zu erzählen.
    Dann aber geschah es: Sie waren verabredet, doch er kam nicht. Sie hatte keinen Grund, an ihm zu zweifeln, und tat es auch nicht. Sie fuhr in das Krankenhaus, in dem er arbeitete. Der Portier sagte: »Station 13, Zimmer 11.« Dort lag Ilya. Er erkannte sie, war aber zu schwach, um etwas zu sagen.
    »Was hat er?«, fragte sie die Ärztin, die gerade eine Infusion anschloss, als sie zur Tür hereinkam.
    »Ein schwaches Herz. Den Krebs hat er besiegt, aber sein Herz ist dabei kaputtgegangen. Wer sind Sie?«
    »Ich bin seine Nichte«, log Luba. »Wir waren für heute verabredet.«
    »Ach so.« Die Ärztin musterte sie. »Ist schon gut«, sagte sie. »Ich kenne Ilya schon sehr lange. Ich kann seine Frau gerade nicht erreichen. Bleiben Sie bei ihm und nehmen Sie Abschied. Sehen Sie seine Augen, er freut sich, dass Sie hier sind.«
    Als die Ärztin gegangen war, setzte sie sich an Ilyas Bett, nahm seine Hand und begann zu erzählen. Von der Zone und dass sie nun bald alle Teile für das Motorrad hätte und angefangen habe, es zusammenzubauen. Die Straßen in der Zone waren verlassen. Kein Verkehr, nichts. Sie würde hindurchrauschen wie ein Donner, wie ein Wirbelsturm, und sie würde dort anhalten, wo es ihr passte. Sie würde fotografieren und darüber schreiben. In der Werkstatt ihres Vaters hatte sie sich das Geld für ein Notebook verdient. Und heute hatte sie eines bei einem Händler bestellt, mit Anzahlung. Sobald es da war, würde sie es immer bei sich haben, um alles zu notieren und zu bloggen, was ihr wichtig war.
    Er müsse unbedingt gesund werden und mit ihr durch die Zone fahren, sagte sie zu ihm. Mit dreihundert Sachen würden sie unterwegs sein. Ilyas Hand zuckte in ihrer. »Du musst dir keine Sorgen machen«, sagte Luba und kämpfte gegen die Tränen. »Ich kenne mich aus mit Strahlung. Ich werde einen Geigerzähler mitnehmen und genügend Benzin und Werkzeug, ich habe alles ganz genau geplant. Es kann nichts schiefgehen. Die Welt muss erfahren, was aus den Menschen in Tschernobyl und in Prypjat geworden ist. Das findest du doch auch?«
    Sie wischte sich mit dem Ärmel über die Augen. Seine Hand lag nun ruhig in ihrer. Er hatte die Augen geschlossen und atmete flach. Sie verfiel in seinen Atemrhythmus, ein, aus, ein, aus, ein, und drückte seine Hand, damit er weitermachte. Ein, aus. Er wurde in der nächsten halben Stunde nicht mehr wach.
    Die Ärztin kam noch einmal ins Zimmer, fühlte seinen Puls, kontrollierte den Durchlauf der Infusion.
    »Gehen Sie nach Hause«, sagte sie. »Seine Frau wird gleich da sein.«
    Als die Ärztin hinausgegangen war, küsste sie Ilya noch einmal auf den Mund und verließ das Zimmer. Auf dem Gang roch es wie beim Zahnarzt.

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