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Komoedie des Alterns

Komoedie des Alterns

Titel: Komoedie des Alterns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Scharang
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derSchurkerei, des Verrats, der Lügen, deren der Österreicher sich schuldig gemacht hatte.
    Dieser Mann hatte am Tag zuvor aus New York angerufen und völlig wirr gesprochen. Sarani fragte sich, ob der Mann den Zynismus auf die Spitze treibe, indem er nun sich selbst als Leidenden darstelle. Oder ob er sich als jemand stilisiere, den die Einsicht in seine Schuld niederdrücke und der nun hoffe, daß ihm verziehen werde. Beides war Sarani gleich widerwärtig. Den Zynismus des Täters, sich als Opfer zu geben, aber auch das Schuldbekenntnis eines Schuldigen wies er zurück, denn der Täter hatte das Schurkenstück über eine lange Zeitspanne geplant, zusammen mit seinem, Saranis, Sohn.
    Schluß, befahl er sich, er wollte nicht, daß in seinem Kopf zum tausendsten Mal die Litanei in Gang gesetzt wurde über den Verrat des Freundes, über die Treulosigkeit des Sohnes, beides für ihn unfaßbar – in seinen wüstesten Alpträumen, in denen er die Liebe zu Sophie hatte enden, seine Kinder durch einen Unfall hatte sterben, sein Unternehmen durch ein Erdbeben hatte zerstieben sehen, war jenes Unglück nicht vorgekommen, das wirklich über ihn hereingebrochen war, so daß ihm kein anderer Weg offenstand als der in den Tod.
    Seit er das wußte, ging es ihm besser. Am Morgen hatte er sogar, nach langem wieder, seinen Lieblingsanzug angezogen, wobei ihm auffiel, so frei war sein Kopf wieder, daß etwas anziehen nur korrespondierte mit Anzug , nicht mit Hose, Hemd oder Socken.
    Der Anruf vom Tag zuvor brachte Sarani nicht aus dem Konzept. Sollte der Österreicher tatsächlich in Kairo landen, was Sarani für möglich, nicht aber für wahrscheinlich hielt, denn was ein Schurke verspricht, dem schenktman nur bedingt Glauben, hätte das den Vorteil, daß er den Text, den er hatte zurücksenden wollen, ihm einfach in die Hand drücken konnte, ohne sich weiter darüber den Kopf zu zerbrechen, welche den Verfasser ins Herz treffenden Worte er beilegen sollte.
    Sarani mußte seinen Plan nur geringfügig ändern: Er werde mit dem Geländewagen zum Haus in der Wüste fahren, nachdem er den Österreicher am Flughafen getroffen, ihn zu einem Taxi begleitet, ihm den Text überreicht und ihn aufgefordert habe, ins Hotel Marriott zu fahren und dort Quartier zu nehmen. Er werde ihn dort am nächsten Tag um elf besuchen. Er werde dann zum Österreicher sagen: Ich bin gekommen, um mich zu verabschieden. Der Kerl, der sich in der Nacht eine Erklärungs-, Entschuldigungs-, und Rechtfertigungsrede zurechtgelegt habe, werde diese nun loswerden wollen, er, Sarani, aber werde sich von ihm abwenden und weggehen.
    Daraufhin, dachte er, werde er zum Wüstenhaus fahren. Die Windstille sei das sichere Vorzeichen für einen gewaltigen Sturm, und der sei ein Garant für den sicheren Tod. Sarani brauche sich nur mit Absicht falsch zu bewegen, und der Sand werde ihn unter sich begraben.
    Bis dahin werde er das Wüstenhaus bewohnen, das David, der Sohn und Architekt, entworfen, nein, erfunden hatte, denn wie alle großen architektonischen Entwürfe war auch dieser eine Erfindung. Erfinden heißt, das hatte der Sohn ihn gelehrt, die Dinge neu zu entwickeln, was wiederum bedeutet, das gesamte Wissen über das Bauen in einer bestimmten Region, in diesem Fall der Wüstenregion, sich zu erarbeiten, und das ist leider nicht viel, denn das meiste ist verlorengegangen. Und diesesWenige an altem Wissen ist zu erweitern mit neuem, an das man auch nur mühsam herankommt.
    Baukunst, das war sein Eindruck während der Planung gewesen, ist Wissenschaftskunst, die Kunst, das Avancierteste an technischem Wissen, das Beste und nicht das Ausgeklügeltste, zum Wohle eines Bauwerks zu organisieren, das Beste im ästhetischen, im sozialen, im wirtschaftlichen Sinn. Das Alte, der Lehm als Baumaterial, und das Neue, die Gewinnung von Sonnenenergie, sollten nicht nebeneinanderstehen, sondern einander überbietend ein Bauwerk der Moderne ergeben, gerade unter den extremen Bedingungen der Wüste.
    Außerdem war das Haus gedacht als Prototyp. Bewährte es sich, könnte in derselben Bauweise um das Haus herum ein Dorf, ja eine Stadt entstehen. Das wäre nach der Farm die zweite Pioniertat. Und die dritte, entscheidende, weil von revolutionärer Kraft, auf den beiden anderen aufbauend, wäre – Sarani mußte innehalten, um den Satz zu Ende denken zu können – die Akademie gewesen.
    Bis zum Sturm, dachte er, sei noch Zeit für einen Abschiedsbrief an David. Er werde seinem Sohn danken

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