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Kon Tiki - Ein Floss treibt über den Pazifik

Kon Tiki - Ein Floss treibt über den Pazifik

Titel: Kon Tiki - Ein Floss treibt über den Pazifik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Hayerdhal
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abwärts war. Die  Dicke, die ihm in Hula-Schritten voranhopste, war selbst ebenso nett anzusehen, und die Tränen liefen uns die Bartbüschel hinab. Bald hörten alle anderen im Ring auf, und Lachsalven dröhnten durch den Palmenhain, während der Hula-Erich und die Schwergewichtlerin in graziösen Schwüngen herumhopsten. Schließlich mußten sie selbst aufhören, weil Sänger und Musikanten mehr als genug zu tun hatten, sich den Bauch vor Lachen zu halten.
    Das Fest setzte sich bis in den hellen Morgen fort, dann bekamen wir die Erlaubnis, eine kleine Pause einzuschalten, nachdem wir von neuem jede einzelne der 127 Hände geschüttelt hatten. (Wir schüttelten jedem einzelnen die Hand, jeden Morgen und jeden Abend, solange wir auf der Insel wohnten!)
    Sechs Betten waren von sämtlichen Hütten im Dorf zusammengekratzt und Seite an Seite an der Wand im Versammlungshaus aufgestellt worden. Hier schliefen wir, ausgerichtet wie die sieben Zwerge im Märchen, duftende Blumenkränze über dem Kopfkissen.
    Am nächsten Tag wurden wir zu dem sechsjährigen Buben gerufen, der eine Eiterbeule am Kopf hatte. Es sah schlimm aus. Der Bub hatte fast 42 Grad Fieber, und die Beule am Scheitel war so groß wie eine Mannsfaust und breitete sich mehr und mehr aus. Er hatte andere kleine Beulen auf den Zehen.
    Teka erklärte, sie hätten schon viele Kinder auf diese Art verloren. Falls nicht einer von uns doktern konnte, hatte der Bub nicht mehr lange zu leben. Wir hatten Flaschen mit Penicillin in der neuen Tablettenform. Wir hatten aber keine Ahnung, welche Dosis ein kleines Kind vertragen kann. Starb uns der Bub unter unserer Behandlung, konnte es ernste Folgen haben.
    Knut und Torstein zogen wieder das Radio hervor und spannten eine Antenne zwischen den höchsten Kokospalmen. Als der Abend kam, bekamen sie von neuem Kontakt mit unseren nie gesehenen Freunden Hai und Frank, die in ihrer Wohnung zu Hause in Los Angeles saßen. Frank bekam einen Arzt ans Telefon, und mit der Morsetaste berichteten wir alle Krankheitssymptome des Buben und den Inhalt unserer Medizinbüchse. Frank vermittelte die Antwort des Arztes, und in der gleichen Nacht zogen wir in die Hütte, wo der kleine Haumata sich im Fieber herumwarf, das halbe Dorf weinend und lärmend um uns.
    Hermann und Knut sollten kurieren, während die anderen genug damit zu tun hatten, die Ortsbevölkerung draußen zu halten. Die Mutter wurde hysterisch, als wir mit einem Messer daherkamen und um kochendes Wasser baten. Alles Haar wurde vom Kopf des Knaben rasiert, und die Beule wurde aufgeschnitten. Der Eiter spritzte in einem Strahl fast bis ans Dach, und mehrere Eingeborene drängten sich erregt herein, so daß wir sie aus der Tür jagen mußten. Vergnügen war das keins. Die Beule war geleert und desinfiziert, dann wurde der ganze Kopf eingebunden, und wir begannen die Penicillinkur. Zwei Tage lang wurde der Knabe jede vierte Stunde behandelt. Das Fieber hatte seinen Höhepunkt erreicht. Die Beule wurde offengehalten, und jeden Abend wurde der Doktor in Los Angeles konsultiert. Dann fiel plötzlich die Temperatur, der Eiter wurde durch frisches Gewebe ersetzt, das den Hohlraum ausfüllte, und der Knabe strahlte wie eine Sonne und wollte Bilder aus der wunderlichen Welt der weißen Männer sehen, wo es Autos, Kühe und Häuser mit mehreren Stockwerken gab.
    Eine Woche später spielte Haumata mit den anderen Jungen am Strand, den Kopf mit einem großen Verband umwickelt, den er bald abnehmen durfte.
    Als das gut gegangen war, nahmen die Krankheiten im Dorf kein Ende. Zahnweh und Bauchgrimmen gab es allerorten, und die Beulen hatten sie überall, Alte und Junge. Wir verwiesen die Patienten an Dr. Knut und Dr. Hermann, die Diät verordneten und die Medizinbüchsen auf Pillen und Salben ausleerten. Manche wurden kuriert, und keiner wurde schlechter, und da die Medizinkiste leer war, kochten wir Kakaosuppe und Hafergrütze, die einen glänzenden Effekt auf hysterische Alte ausübten.
    Wir waren noch nicht viele Tage unter unseren braunen Bewunderern gewesen, als das Fest in einer neuen Veranstaltung kulminierte. Wir sollten als Bürger von Raroia adoptiert werden und polynesische Namen erhalten. Selbst ich durfte nicht länger Terai Mateata heißen, so konnte man mich auf Tahiti nennen, aber nicht hier.
    Sechs Stühle waren für uns mitten auf dem Platz aufgebaut, und der ganze Ort war früh auf den Beinen, um einen guten Platz im Umkreis zu bekommen. Teka saß feierlich dazwischen.

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