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Kon Tiki - Ein Floss treibt über den Pazifik

Kon Tiki - Ein Floss treibt über den Pazifik

Titel: Kon Tiki - Ein Floss treibt über den Pazifik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Hayerdhal
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Meer. Wir wären die ersten Weißen, die zugestanden, ihre Väter hätten die Wahrheit erzählt, Tiki hätte gelebt, er sei nicht nur ein Hirngespinst, aber jetzt sei er tot und im Himmel.
    Erschreckt bei dem Gedanken, die Arbeit der Missionare umzustürzen, beeilte ich mich, vorzutreten und zu erklären, daß Tiki wohl gelebt hatte, das war sicher und gewiß. Aber jetzt sei er tot. Ob er jetzt im Himmel oder in der Hölle war, das wußte nur Jehovah, denn der war im Himmel, während Tiki selbst ein sterblicher Mensch gewesen war, ein großer Häuptling wie Teka und Tupuhoe oder vielleicht noch etwas größer. Die Braunen mußten lachen, aber im Grunde gefiel es ihnen gut, und das Nicken und Murmeln zeigte deutlich, daß die Erklärung auf guten Boden gefallen war. Tiki hatte gelebt, das war die Hauptsache. Wenn er jetzt in der Hölle wäre, so wäre das sein eigener Schaden, aber da stiege vielleicht die Möglichkeit für verschiedene von uns, ihn wiederzusehen, meinte Tupuhoe.
    Drei alte Männer drängten sich vor und wollten uns die Hand schütteln. Es war kein Zweifel, daß sie es waren, die die Erinnerung an Tiki bei der Bevölkerung am Leben hielten, und der Häuptling erzählte auch, daß der eine Alte eine Unzahl von Überlieferungen und historischen Liedern aus der Zeit der Vorväter kannte. Ich fragte den Alten, ob nicht ein Hinweis in den Überlieferungen war, aus welcher Richtung Tiki gekommen sei. Nein, daran konnte sich keiner von ihnen erinnern. Aber nachdem sie sich wohl und lange bedacht hatten, sagte der älteste von den dreien, daß Tiki einen nahen Verwandten mit sich hatte, namens Maui, und in dem Lied von Maui hieß es, daß er hierher auf die Insel von Pura kam, und Pura, das war dort, wo die Sonne aufging. War also Maui von Pura gekommen, so war wohl Tiki aus derselben Richtung, und wir sechs auf dem Pae-pae, wir waren auch von Pura gekommen, das stand fest.
    Ich erzählte den Braunen, daß auf einer einsamen Insel näher bei der Osterinsel, die Mangareva heißt, die Bevölkerung niemals den Bau von Kanus erlernt hatte. Hier hatten sie nie aufgehört, große Pae-paes auf See zu gebrauchen bis in unsere Zeit. Davon wußte der Alte nichts. Aber er wußte, daß ihre eigenen Vorväter auch große Pae-paes verwendet hatten, aber das war im Laufe der Zeit völlig außer Gebrauch gekommen, und jetzt war nur mehr der Name und die Überlieferung übrig. In alten Tagen wurden die Pae-paes als Rongo-rongo bezeichnet, sagte der Älteste, aber das sein ein Wort, das jetzt nicht mehr im Sprachschatz vorkomme. Aber  Rongo-rongos werden in den ältesten Sagen erwähnt.
    Dieser Name war interessant, denn Rongo, das auf einzelnen Inseln Lono ausgesprochen wird, war der Name eines der bekanntesten sagenumsponnenen Ahnen der Polynesier. Er wurde ausdrücklich als weiß und hellhaarig geschildert. Als Kapitän Cook das erstemal auf Hawaii kam, wurde er mit offenen Armen von den Insulanern empfangen. Sie glaubten, er sei ihr weißer Verwandter Rongo, der nach generationenlanger Abwesenheit auf seinem großen segelführenden Fahrzeug von der Heimat seiner Väter zurückkehrte. Und auf der Osterinsel war Rongo-rongo die Bezeichnung für die mystischen Hieroglyphen, deren Geheimnis mit den letzten schriftkundigen »Langohren« verlorenging.
    Während die Alten über Tiki und Rongo-rongo sprechen wollten, wünschten die Jungen vom Walhai und von unserer Fahrt über das Meer zu hören. Aber das Essen wartete, und Teka war es müde, Dolmetsch zu spielen. Jetzt durfte das ganze Dorf herantreten, um jedem einzelnen von uns die Hand zu schütteln. Die Männer murmelten »Ja-ora-na« und rissen uns fast die Hand ab, die jungen Mädchen tänzelten heran und grüßten schelmisch und geniert, und die alten Hexen schwatzten und knixten und zeigten auf unseren Bart und unsere Hautfarbe. Es leuchtete Freundschaft aus jedem einzelnen Gesicht. So konnte es gar nicht ausbleiben, daß eine babylonische Sprachverwirrung entstand. Sagten sie etwas Unverständliches zu uns auf polynesisch, so antworteten wir mit derselben Münze auf norwegisch. So hatten wir alle miteinander einen Riesenspaß.
    Das erste Wort, das alle lernten, war »mögen«, und wenn einer mit diesem Wort auf das zeigen konnte, was er mochte, und damit rechnen konnte, es sofort zu bekommen, so war die ganze Schwierigkeit gelöst. Rümpfte einer die Nase, wenn er »mögen« sagte, so bedeutete das »nicht mögen«. So konnte man sich ganz gut verständigen.
    Sobald wir

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