Kopernikus 7
erscheint, nehmen wir uns euren Freund hier vor“ – er warf beim Sprechen dem Friseur einen verächtlichen Blick zu –, „damit wir eure Namen und was er sonst noch alles über euch wissen mag, herausbekommen … und das könnte für ihn sehr unbequem werden. Und Sie , Mr. Vespucci, Sie nennen sich einen Italiener?“
„Nein, mein Herr“, erwiderte Tony standhaft. „Ich nenne mich einen Italo-Amerikaner. Meine Familie ist schon seit drei Generationen in diesem Land. Meine zwei Jungen“ – und Tony warf einen nachdenklichen Blick auf die zwei leeren Friseurstühle zu seiner Rechten, als vermöchte er irgendwie seine kräftigen Söhne in weißen Jacketts zu erblicken, aus deren Brusttaschen schwarze Kämme herausragten –, „meine zwei Söhne sind im letzten Krieg in Italien gefallen. Sie haben aber nicht für Italien gekämpft.“
Auf Pescas Gesicht zeigte sich Erheiterung. Seine Blicke wanderten beziehungsvoll in den hinteren Teil des Ladens. „Dieser leere Platz über dem Schrank da. Seine Blöße beleidigt mich. Besorg dir ein Bild von Il Duce und häng es auf. Ein großes. Ich möchte es hier sehen, wenn ich das nächste Mal hereinkomme.“
Mit einem weiteren kalten Blick zu den Anwesenden wandte er sich um und ging die drei Stufen mit einem Ausdruck hinauf, der auf dem Gesicht eines politischen Gefangenen, der die Stufen der Guillotine hinaufsteigt, nicht unangebracht gewesen wäre. Aber ehe er noch auf dem Gehsteig draußen war, schien ihm etwas einzufallen, denn er hielt einen Augenblick schweigend inne, den einen Fuß auf der obersten Stufe, den anderen auf der zweiten.
„Es ist viel, viel besser, wenn ich es tue …“ fiel Augenbraue ein.
Pesca blickte nachdenklich zu ihnen zurück. „,Willy …’“, überlegte er bei sich. „,Willy?’ Ist das die Verkleinerungsform von Wilhelm?“
„Neeein“, erwiderte der Blonde mit einem erfinderischen Lächeln. „Ich wurde wirklich ‚Willy’ getauft, ob Sie es glauben oder nicht.“
„Wir sind auf der Suche nach einem Mann namens Wilhelm – oder vielleicht William-Marcus.“
Willy zuckte die Achseln und griff wieder nach seiner Zeitschrift. „William-Marcus ist ein häufiger Name.“
„Stimmt. Der Marcus, den wir suchen, ist der Anführer einer Bande, die die Frechheit besitzt, sich selbst nach einer ruhmreichen Epoche unserer italienischen Geschichte Il risorgimento zu nennen. Sie schwatzen von Freiheit und Vaterlandsliebe, sind aber“, und hier wurden Pescas Auge und Stimme etwas wärmer, „bloß ein Haufen von Halsabschneidern wie …“
„Wie die Mafia“, warf Augenbraue ein.
Pesca beäugte ihn mit gleichgültiger Verachtung, sein Fieber fiel ein oder zwei Grad auf die normale Temperatur zurück. „Die Mafia gibt es nicht mehr“, meinte er selbstzufrieden. „Dafür haben wir gesorgt.“
„Gib uns unsere Mafia zurück“, murmelte Augenbraue.
Pesca trat ins grelle Sonnenlicht hinaus. Die drei Männer im Laden schauten zu, wie er die Avenue des Neuen Rom (wie die offizielle Bezeichnung lautete) überquerte, und, weder nach links noch nach rechts schauend – als würden die Autos nicht wagen, ihn zu überfahren –, auf das klaffende Maul des Seitengäßchens zuging, wo sich der nächstgelegene Eingang zum Hauptquartier der Bezirksmilitärpolizei befand.
Man hörte das Rascheln von Papier, als der Mann, der in der Ecke die Timesisis, sie hastig zerknüllte und auf den Schrank warf. Er griff zum Hut und stürzte zur Tür. „Ich bemerke eben, daß meine Mittagspause schon um ist“, murmelte er und hielt den Hut unbeholfen vor das Gesicht, als sei er ihm unbewußt in dieser Lage steckengeblieben, als er im Begriffe stand, ihn zum Kopf zu führen. Vielleicht wich er ihren Augen aus – vor allem, glaubte Tony, dem sardonischen Blick von Augenbraue, der ihm folgte, als er, eine Spur zu schnell, um vollkommene Würde zu bewahren, die Treppenstiegen hinauf- und zur Tür hinausging. Einen Augenblick später bemerkten sie, wie er auf der Straße den Autos auswich.
„Ach“, sprach Tony mit einem Seufzer, „die Polizei verscheucht mir die Kundschaft. Mehr brauche ich nicht! Eine ganze Menge meiner alten Kunden kommt nicht mehr zu mir … Nun“ – mit einer wegwerfenden Handbewegung –, „ihr wißt schon. Ich bin froh, daß du nie so gedacht hast, Willy. Ich weiß das zu schätzen. Wenn ich gewußt hätte, daß der Kerl ein Bulle war, hätte ich dich gewarnt.“
Den schweren Kopfschüttelnd, trat er zum Schrank und
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