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Kopernikus 7

Kopernikus 7

Titel: Kopernikus 7 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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saugendes Geräusch von sich, als er sich vorbeugte. Ächzend und stöhnend begann die Druckstelle, die sein Rücken im Leder hinterlassen hatte, sich wieder vorzuwölben, bis er sein Gewicht erneut dagegensinken ließ. Durch die Erschütterung dieser Bewegung geriet der Aschenbecher, den er auf dem Knie balanciert hatte, ins Rutschen und fiel mit der Oberseite nach unten in einer Explosion von Asche auf den Teppich.
    Mason beugte sich nach vorn, um ihn aufzuheben. Dann hielt er inne; der Fernseher hatte plötzlich wieder seine Aufmerksamkeit erregt und gefangengenommen. Blinzelnd starrte er auf die körnigen, flackernden Schwarzweißbilder, und wieder spürte er etwas, das er nicht zu beschreiben wußte, so stark diesmal, daß er das gleitende Gefühl in seinem Kopf für den Augenblick vergaß.
    Es war einer jener Filme, die man in den zwanziger und dreißiger Jahren gedreht hatte, als alles noch vollkommen in Ordnung war. Der Held war gutaussehend, gewandt und makellos gekleidet. Er hatte Mut, er hatte Stil, er paßte überallhin, er konnte jedes Problem lösen – er wankte nie und trat sich niemals selber auf den Schwanz. Er war die Qualität in Person. Die Heldin paßte zu ihm: Sie war kultiviert, vornehm und gelassen – eine schlanke, aristokratische Skulptur aus Eis und Mondlicht. Sie war unsagbar attraktiv. Beide waren Leute von Format, feine Leute: die Sorte, die das Sagen hatte, die etwas bedeutete. Sie waren in den richtigen Familien auf der richtigen Seite der Stadt geboren, sie waren auf die richtigen Schulen gegangen und hatten die richtigen Leute gekannt – sie hatten die richtigen Jobs gekriegt. Unangreifbare Überlegenheit lag in der Art, wie sie sich bewegten, wie sie gingen, wie sie die Füße setzten und die Köpfe drehten. Alles wirkte kühl, geplant und wohlausgeglichen, wie bei einem Tänzer. Sie wußten, daß sie die Besten waren. Sie wußten es, ohne darüber nachzudenken und ohne auch nur zu wissen, daß sie es wußten. Es war etwas, das man in die Wiege gelegt bekam. Es war etwas, das man nicht nachahmen oder vortäuschen konnte: Irgend etwas würde einen immer entlarven, und die anderen an der Spitze würden einen durchschauen, sie würden sehen, was man in Wirklichkeit war, und dann eine Linie ziehen, die einen ausschloß (ohne jemals tatsächlich etwas zu sagen, und das würde es nur noch schlimmer machen), und man würde dastehen mit heraushängendem Schwanz, schamrot und schwitzend – zu grob, zu teigig und zu ungehobelt –, und seinen Hut nervös in seinen klobigen, unbeholfenen Händen drehen. Aber dem Mann und der Frau im Fernsehen würde so etwas nie passieren.
    Mason merkte, daß er in blinder Wut bebte; er zitterte, als wollte er sich in Stücke reißen, auseinanderbrechen, ohne zu wissen, warum. Seine Wut flößte ihm Staunen und Schrecken ein, seine Eingeweide zogen sich zusammen, seine großen, schwieligen Fäuste öffneten und schlossen sich angesichts der Ungerechtigkeit, der Monstrosität, des Schleims, der Millionen verpißter Leben, und er wälzte seinen Zorn in sich herum, verrührte ihn wie eine trübe Flüssigkeit, schlug ihn zu Schaum.
    Sie mußten nie für etwas bezahlen. Sie schwitzten nie, und sie schissen nie. Sie rochen nie schlecht und wurden niemals schmutzig. Sie hatten niemals Dreck unter den Fingernägeln, niemals Blasen an den Händen und niemals blutverschmierte Unterarme. Der Mann hatte nie Fünf-Uhr-Stoppeln im Gesicht, die Frau trug nie Lockenwickler wie Emmy, ihr Atem roch nicht sauer, und sie befahl ihrem Geliebten niemals, den Abfalleimer hinauszutragen. Sie furzten nicht, und sie rülpsten nicht. Sie trieben keinen Sex – sie machten Liebe, und das war nichts als transzendentale Wonne: ohne die Würdelosigkeit von zuckenden Leibern und ungeschickt ineinander verschlungenen Gliedern, ohne mühsames Fummeln, unzusammenhängende Worte und heisere, tierische Laute, und danach atmete er ruhig, und ihr Haar war wohlgeordnet, es gab keinerlei Körperflüssigkeiten, und das Bettzeug war nicht befleckt oder zerknüllt. Und die Welt, in der sie sich ihr Leben lang bewegten, war ein Spiegelbild ihrer eigenen Vollkommenheit: Sie war schön, sauber und ordentlich. Villen. Riesige Rasenflächen. Baumgesäumte Straßen mit sauber gestrichenen Häusern. Und ihr Stil brachte ihnen auch noch Glück. Die Götter lächelten für sie, und ein wohlwollendes Schicksal gab ihnen nur die besten Karten in die Hand. Sie glitten durch das Leben, ohne die Füße bewegen zu

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