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Kopernikus 7

Kopernikus 7

Titel: Kopernikus 7 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Ge­bir­ge zuck­ten die ers­ten Blit­ze auf.
    Jetzt erst hat­te sie den ein­sa­men Baum, der fast im Zen­trum der Wie­se stand, ent­deckt. Ihr Haar und die Schlei­fen, in die das Haar ge­bun­den war, flat­ter­ten in dem Wind, der jetzt auf­kam. Wäh­rend der Wind durch ih­re Klei­der fuhr und sie ein Ge­fühl der Be­frei­ung emp­fand, setz­te un­ter den ers­ten vom Ge­bir­ge her­über­lau­fen­den Don­ner­schlä­gen fast ihr Herz­schlag aus. Was tue ich nur? Was tue ich nur, dach­te Ka­rin rasch. Und da der ein­sa­me, knor­ri­ge Baum, der als fah­le Sil­hou­et­te wie mit kno­chi­gen Ar­men vor dem silb­ri­gen Him­mel stand, bei al­lem Be­den­ken, das ihr kam, ihr ein­zi­ger Flucht­punkt war, rann­te sie, ih­re Ängs­te bei­sei­te schie­bend, zu ihm hin.
    Wäh­rend sie rann­te, setz­te der Re­gen, der aus tief vor­über­zie­hen­den Wol­ken fiel, hef­tig ein, und schon nach we­ni­gen Mi­nu­ten war Ka­rin bis auf die Haut durch­näßt. Aber trotz der Angst in ihr fühl­te sie, wäh­rend sie zu dem Baum hin­lief, gleich­zei­tig, da das Was­ser über ih­ren Kör­per rann, ein un­ge­heu­res Ge­fühl der Er­leich­te­rung. Dann hat­te sie den Baum er­reicht, an des­sen Rin­de das Was­ser in brei­ten Rinn­sa­len nie­der­floß.
    Der Sturm über ihr er­reich­te sei­nen Hö­he­punkt. Die Wol­ken flo­gen tief da­hin, und Blit­ze schlu­gen in die Wie­se ein, über der es sonst fast völ­lig fins­ter war. In der Luft lag Schwe­fel­ge­ruch. Das her­ab­fal­len­de Was­ser drang gur­gelnd zu Ka­rins Fü­ßen in den Bo­den ein. Noch mehr­mals brüll­te der Him­mel un­ter schmet­tern­den Schlä­gen auf. Ein Blitz, der die Wol­ken­wand auf­riß, schlug we­ni­ge Me­ter ne­ben dem Baum in einen Erd­hü­gel ein, den er als damp­fen­de, rau­chen­de Mul­de hin­ter­ließ. Dann riß der Him­mel auf. Der Re­gen hör­te auf. Die Son­ne schi­en erst ein fah­ler Mond zu sein und drang dann mit ih­rer vol­len Strah­lung durch. Ein Re­gen­bo­gen bil­de­te sich und ver­ging so schnell, wie er ent­stan­den war. Zwi­schen den Zwei­gen des kah­len Baums, un­ter dem Ka­rin jetzt frie­rend stand, blitz­te im Son­nen­licht ein win­zi­ges Spin­nen­netz, das den Sturm und Re­gen­guß an­schei­nend un­ver­sehrt über­stan­den hat­te.
    Ein­mal beug­te, wäh­rend Ka­rin schlief, sich ein Rie­se über sie. Er hat­te ein mod­ri­ges, schlüpf­ri­ges, fau­li­ges Ge­sicht, von dem ei­ne Art Schlamm auf ihr wei­ßes Kis­sen troff. Sie zuck­te vor dem stin­ken­den Atem des Rie­sen in ih­re Kis­sen zu­rück. Schüt­zend schlug sie die Hän­de vors Ge­sicht. Aber das Vieh wich nicht zu­rück. Es war, als sto­ße der Rie­se gel­be Wol­ken aus. Sein Ge­sicht war schief, wäh­rend er sab­bernd mit sich sprach. Ein­mal streck­te er sei­ne Hän­de nach Ka­rin aus, die end­lich ver­zwei­felt mit dem Kis­sen nach ihm warf, wor­auf­hin er plötz­lich ver­schwand.
    Sie wuß­te nicht, wie­viel Zeit ver­rann, wäh­rend ihr Fie­ber stieg. Un­ter dem Bett­la­ken war sie naß­ge­schwitzt. Ein­mal war ihr, als fühl­te sie Hän­de in ih­rem Ge­sicht. Strei­cheln­de, sanf­te Hän­de wa­ren das. Aber als sie den Na­men ih­rer Mut­ter rief, stell­te sie fest, daß sie die Hän­de bloß in ih­rem glü­hen­den Kopfe sah. Wie­der fiel sie in ei­ne schwar­ze Nacht hin­ab. In die­ser Nacht tra­ten Stim­men auf. Ein­mal hat­te sie Licht ge­macht, als ein Ge­spinst, haar­fein, hauch­dünn und ein we­nig kleb­rig, über ih­re Zü­ge strich.
     
    Es war, als ru­fe ei­ne Stim­me wie von fer­ne Ka­rin an. Im Schlaf noch lall­te sie: „Ja, was ist?“ Aber die Stim­me, oh­ne auf Ka­rin ein­zu­ge­hen, schlug wie­der in ei­nem Ton­fall an, der in Ka­rins Herz ein­drang. Mit ei­ner tas­ten­den Hand mach­te sie das Nacht­tischlämp­chen an. Sie war al­lein in ih­rem klei­nen Raum. Mit zit­tern­den Bei­nen stand sie auf. Einen Ba­de­man­tel um die Schul­tern, trat sie auf den Flur hin­aus.
    Die Tür zur Ka­bi­ne ih­res Bru­ders stand halb of­fen. „To­bi­as“, flüs­ter­te sie durch den Spalt, oh­ne daß von dort ei­ne Ant­wort kam. Aus sei­ner Ka­bi­ne fiel ein schma­les, gel­bes Licht. Sie drück­te die Tü­re auf. To­bi­as lag auf sei­nem Bett, er hat­te noch sei­ne

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