Korrupt (German Edition)
war ein paar Monate zuvor in Rosersberg gefunden worden. Die erste Leiche war bereits vor sieben Jahren entdeckt worden. Marie, 22 Jahre alt, im Mai 1982 tot aufgefunden im Humlegården. Catrine, 27 Jahre alt, im Juli 1984 tot aufgefunden in Solna. Elisabeth, 24 Jahre alt, im Februar 1985 tot aufgefunden in Hägersten. Alle waren Prostituierte und unter dreißig gewesen. Aufgefunden in kleinen Wäldchen und Parks. Unbekleidet. Sie waren ermordet und dann im Freien abgelegt worden. Annies Überzeugung nach systematisch. Die vier Frauen waren demselben Mann begegnet, und das hatte ihren Tod bedeutet.
Sie hatte davon gehört, dass Männer Feste organisierten, bei denen Prostituierte die Drinks servierten. Und davon, dass er in einem Séparée residierte. Der Papst. Der Bock. Er hatte viele Namen. Wie alle, die geliebt oder grenzenlos gefürchtet wurden. Immer im Hintergrund. Wenn sich die Tür einen Spalt öffnete, versuchten sie einen Blick in diesen Raum zu erhaschen. Die Männer taten alles, um hineinzugelangen. Die Frauen taten alles, um draußen zu bleiben. Aber sie hatten sich bezahlen lassen, um das zu tun, was er wollte, also blieb ihnen nichts anderes übrig. Sie konnten nur darauf warten, dass die Tür aufgeschlossen und von der anderen Seite wieder abgeschlossen wurde. Den Rest vergaßen sie lieber. Das Leben als Hure.
Annie würde alles dafür tun, damit die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen wurden. Das war sie als Frau den Opfern schuldig. Das war sie als Tochter ihrer Mutter schuldig.
Nach dem Tod ihrer Pflegeeltern hatte sie die Wahrheit über das Schicksal ihrer Mutter erfahren. Oder zumindest die halbe. Es war immer davon die Rede gewesen, dass sie sich das Leben genommen hatte. Tatsächlich war sie ermordet worden, und der Täter lief immer noch frei herum. Da «Vater unbekannt» auf ihrer Geburtsurkunde stand, war Annie zu Pflegeeltern gekommen. Ihr Vater hatte nie Kontakt mit ihr aufgenommen.
Aus irgendeinem Grund hatte Annie Max das alles nie erzählt. So etwas konnte in einer Beziehung passieren. Man verschwieg eine Sache so lange, bis es am Ende unmöglich war, sie auszusprechen. Aber sie würde es noch tun. Auf jeden Fall, bevor das Kind zur Welt kam, nur nicht gerade jetzt. Stattdessen versuchte sie die Wahrheit darüber herauszufinden, was dreißig Jahre zuvor geschehen war. Das hatte auch zu ihrer Artikelserie über die ermordeten Frauen geführt. Sie arbeitete bei einer der größten schwedischen Tageszeitungen im Ressort Panorama und war eine der Besten. Hauptsächlich recherchierte sie Kriminalfälle. Wenn es jemanden gab, der die Wahrheit herausfinden konnte, dann sie.
Sie schob ihre Gedanken beiseite, als Lisa unter Jubel das Dessert servierte.
«Es wäre super, wenn du dich auch mal an einer Diskussion beteiligen würdest», sagte sie im Taxi auf dem Weg nach Hause.
«Ein wenig teilnehmen würdest.»
Max sah sie an, aber es gelang ihm nicht, ihr in die Augen zu schauen. Sie klang nicht vorwurfsvoll. Er nahm ihre Hand. Der Fahrer fuhr viel zu schnell. Max starrte auf die Kopfstütze des Beifahrersitzes und blieb ihr eine Antwort schuldig. Sie sah ihn an und drückte seine Hand, als ihm die Augen zufielen. Er öffnete sie wieder und erwiderte ihren Händedruck.
Tradition und Ambition
1
Die Treibjagd des zweiten Tages war die ersten Stunden ereignislos verlaufen, als einer der Stöberhunde endlich anschlug, dass es bis zum Herrenhaus widerhallte. Der Fuchs war in seinen Bau verschwunden, und Buster Droth wurde damit beauftragt, den Terrier zu holen. In dieser Zeit wartete Johan Droth, Busters Vater, einen Fuß auf einen schneebedeckten, entwurzelten Baum gestützt, wenige Meter von dem Bau entfernt. Sie hatten zwei Zugänge entdeckt, und als Buster zurückkehrte, gab ihm sein Vater ein Zeichen, den Terrier in den Bau zu lassen. Er war ein guter Hund, und Johan Droth verließ sich auf ihn. Es sollte sich zeigen, dass das berechtigt war. Es dauerte nicht lange, da schoss der Fuchs aus dem Bau, Droth hob seine Zwölfmillimeterflinte, und eine Ladung Schrot warf das feuerfarbene Tier in den Schnee. Die anderen Jäger gratulierten, als er auf den leblosen Fuchs zutrat. Sie waren froh, dass er das Tier geschossen hatte. Nicht so sehr seinetwegen, sondern vielmehr ihretwegen.
Fuchsjagd in Uppland war Tradition, seit Johan Droths Vater den Gutshof bei Gimo ein paar Jahre nach seiner Rückkehr aus Amerika in den dreißiger Jahren gekauft hatte. Nach dessen Tod hatte
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