Korrupt (German Edition)
Johan Droth selbst die Verwaltung des Hofes übernommen. Jedes Frühjahr versammelte er dort sämtliche Direktoren seines Imperiums für das jährliche Thing, das stets mit einer zweitägigen Jagd begann. Es gab viele Geschichten über Fuchsjagden, bei denen Unterdirektoren etwas erlegt hatten, Johan Droth jedoch mit leeren Händen zum Gutshof zurückgekehrt war. Das hatte damit geendet, dass einer von ihnen zur Beute geworden war. Denn Johan Droth wollte etwas erlegen, entweder mit seiner Flinte oder mit seiner grenzenlosen Macht. Alle Anwesenden wussten das, obwohl man nicht darüber sprach. Es wurde zwischen zwei Atemzügen und unter vier Augen angedeutet, dann tat man wieder so, als sei nichts. Scherze über Macchiavelli. Scherze über Größenwahn. Spitznamen.
Johan Droth blies selbst kurz vor zwölf zum Ende der Jagd und dankte beim darauffolgenden Mittagessen den Gästen für ihr Erscheinen an diesem Tag. Unter ihnen war ein etwas heruntergekommener Politiker aus Uppsala. Er war Vorsitzender eines Bauausschusses, der gerade erst mehrere Beschlüsse zugunsten des Imperiums gefasst hatte. Wer das Gutshaus nicht verließ, wurde um zwei Uhr im Saal zur Eröffnung des Things erwartet. Dort wurde bis zum großen Ereignis des Abends, in Form eines Galadiners mit Dresscode, gearbeitet. Serviert wurde ab zehn Uhr.
Um Viertel vor zwei versammelten sich alle im Herrenzimmer neben dem Saal, um vor dem Thing einen Whisky zu trinken. An einer Wand hing ein Porträt Johan Droths senior, das Bianca Wallin, die Malerin des Prinzen, Ende der fünfziger Jahre gemalt hatte. Aus diesem Grund wurde das Herrenzimmer etwas großspurig das Gustaf-Adolf-Zimmer genannt.
Buster Droth war als Erster zur Stelle, und als die anderen eintraten, hatte er bereits in einem Sessel vor dem offenen Kamin Platz genommen. Auf dem Beistelltisch stand eine Flasche Bourbon, die er sich vom Hausdiener hatte bringen lassen. Eine Flasche Elijah Craig, seine Lieblingssorte aus den USA . Als sein Vater die Flasche sah, rief er den Hausdiener. In der folgenden Stille sah er Buster mit einem mitleidigen Lächeln an.
«Behalt dein amerikanisches Parfüm, Buster. Wir anderen trinken Single Malt.»
Alle lachten. Erst vorsichtig, dann lauter. Eine weitere Flasche wurde auf den Tisch gestellt, und die Männer bedienten sich, während sie unter Johan Droths Aufsicht lachten. Buster beobachtete die Männer und leerte sein Whiskyglas, erhob sich und ging auf die Tür des großen Saals zu, ohne jemandem in die Augen zu sehen.
Johan Droth junior, geboren in New York, war als Elfjähriger kurz nach der Weltwirtschaftskrise nach Schweden gekommen. Er war in der 72 nd Street, Central Park West, aufgewachsen, und die Familie hatte zeitweilig im selben Haus wie der Radiostar Walter Winchell gewohnt. Im Jahr 1931 war die Familie Droth an Bord der MS Kungsholm gegangen, um von New York nach Göteborg umzusiedeln. Seine Mutter hatte ihm einen Matrosenanzug gekauft und seine älteren Schwestern Merill, Rosie und Judith entsprechend eingekleidet, damit die anderen Passagiere sie während der Reise bewundern konnten. Seiner Mutter waren diese Dinge wichtig gewesen. Dass alle sahen, wo sie hingehörten. Dass sie keine verarmten, heimkehrenden Auswanderer waren, die ihren Traum von Amerika aufgegeben hatten. Sie hatten Erfolg gehabt, und zwar nicht zu knapp. Der Vater Johan senior war zusammen mit anderen Landsleuten zu Beginn des Jahrhunderts in die USA gekommen, aber bereits erfolgreich und vermögend gewesen, noch ehe er den Dampfer verlassen und ein Fuhrwerk nach Chicago gefunden hatte. Eine Zeitlang hatte er Geschäfte mit dem Vater des ersten katholischen Präsidenten des Landes gemacht. Über ihr gemeinsames Interesse an der Whiskybranche hinaus hatten sie auch Geschäfte an der Wall Street vereint.
Johans Vater war in New York zu Macht und Geld gekommen. Die Rückkehr der Familie nach Schweden war mit der Absicht erfolgt, dort den Traum des Vaters von einer richtigen Dynastie zu verwirklichen. Es war die Zeit der Alkoholrationierung gewesen, und die Schweden waren genauso durstig wie die Männer und Frauen in New York. Der Schnaps kam aus Estland und Deutschland, einer finanzierte ihn, ein anderer schmuggelte.
Seit sein Vater Mitte der dreißiger Jahre alle kleinen Akteure in Stockholm in den Konkurs getrieben hatte, hatte sich viel verändert. Schweden war inzwischen ein anderes Land in einer ganz anderen Welt. Aber die Familie hatte sich angepasst und
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