Kovac & Liska 02 - In aller Unschuld
einen normalen Wert sank. Er hätte sich David Moore zu gern richtig vorgeknöpft. Er wollte, dass der Kerl schuldig war. Er wollte, dass jemand den richtigen Namen von Don Irgendwas ausspuckte, dem angeblichen Kameramann, damit er den Kerl vor eine Verhörlampe setzen und aus ihm herausholen konnte, in welcher Verbindung er zu Moore stand.
Das war das, was er wollte. Das Problem dabei war, dass er eigentlich nichts wollen sollte. Ein guter Detective zog keine Schlussfolgerungen, bevor er alle Fakten beisammenhatte. Ein Verbrechen zu nah an sich herankommen zu lassen – oder das Opfer eines Verbrechens – , war der erste Schritt auf dem Weg in die Klapsmühle. Oder zu einer Untersuchung durch die Dienstaufsicht. Sollte jemand beobachtet haben, wie er David Moore in den Aufzug stieß, dann hätte Moore einen Zeugen für eine Anzeige wegen tätlichen Angriffs.
Trotzdem … es war ein verdammt gutes Gefühl gewesen, es zu tun.
Kovac genoss noch die Erinnerung daran, als sein Handy zu klingeln begann.
»Kovac.«
»Liska.«
»Oh.«
»Du musst nicht gleich derart glücklich klingen, wenn du meine Stimme hörst. Sonst komme ich noch auf falsche Ideen«, sagte Liska. »Wen hast du erwartet? Die Königin von Saba? Catherine Zeta-Jones? Oxsana die Schlangenfrau?«
»Gibt es einen Grund, warum ich mit dir reden sollte?«, fragte Kovac angesäuert, weil er tatsächlich einen Moment lang gehofft hatte, der Anruf könnte von Carey kommen. Und wenn Liska das wüsste, würde sie bis in alle Ewigkeit darauf herumreiten. Einfach zu blöd.
»Ja«, sagte sie. »Du solltest ins Medical Center fahren.«
»Warum?«
»Weil Kenny Scott heute Besuch von deinem Freund Stan Dempsey hatte.«
34
Karl Dahl war klar, dass er nicht die ganze Nacht im Park bleiben konnte. Er trieb sich sowieso schon ziemlich lange hier herum, auch wenn ihm niemand weiter Beachtung geschenkt hatte. Aber die Stadtverwaltung ließ nicht zu, dass auf dem Parkplatz Autos über Nacht stehen blieben.
Er hatte den Nachmittag damit verbracht, von Bank zu Bank zu schlendern. Es war ein sonniger Tag gewesen, und die Leute hatten Picknicks veranstaltet, dem Sonnenuntergang zugesehen, das schöne Wetter bis zum Letzten ausgekostet. Bei dem Geruch von gegrilltem Fleisch hatte sein Magen zu knurren angefangen. Doch jetzt war der warme Tag einem kühlen Abend gewichen, und die Kälte drang allmählich durch seinen braunen Kaschmir-Poncho und kroch ihm an den Beinen hoch unter den Rock. Es war an der Zeit, ein wärmeres Plätzchen aufzusuchen.
Er starrte über die Straße zu Carey Moores Haus hinüber.
Hinter zwei Fenstern im Erdgeschoss und im ersten Stock brannte Licht.
Nachmittags hatte er sie kurz zu Gesicht bekommen, als ein schwarzer Mercedes aus der Garage gefahren war. Sie saß auf dem Beifahrersitz, ein Polizist saß am Steuer. Auf dem Rücksitz war ein kleiner dunkler Lockenkopf auf und ab gehüpft. Carey Moores Kind.
Dahl schloss die Augen und stellte sie sich schwanger vor. Ein wunderbares Bild. Eine Madonna. Sein Engel. Er fragte sich, was sie in diesem Augenblick wohl gerade machte.
Vor einiger Zeit hatte ein Auto hinter dem Streifenwagen gehalten, ein Mann war ausgestiegen, zur Fahrertür gegangen und hatte etwas zu den beiden Polizisten gesagt, dann war er weiter zum Haus gegangen und neben den erleuchteten Fenstern im Erdgeschoss stehen geblieben. Noch ein Polizist. In Zivil.
Die Stunden hatten sich hingezogen, ohne dass etwas passierte.
Während er noch darüber nachgedacht hatte, was der Typ in Zivil wohl hier wollte, war die Garagentür aufgegangen und derselbe schwarze Mercedes aufgetaucht, diesmal saß nur der Fahrer drin. Ein Mann, der Größe nach zu urteilen. Vermutlich der Ehemann. Er raste davon, als wäre er wegen irgendetwas wütend. Ein zweiter Wagen, der am Straßenrand geparkt hatte, fuhr ihm hinterher. Kurz darauf folgte ihm der Polizist in Zivil.
Das Wichtigste für Dahl war, dass der Ehemann das Haus verlassen hatte.
Bald würde er mit Carey Moore sprechen. Um ihr für ihre Freundlichkeit zu danken. Um ihr zu erklären, was er für sie empfand und wie viel sie ihm bedeutete. In seinem ganzen Leben hatte kaum jemals jemand Partei für ihn ergriffen. Sie hatte ihr Leben riskiert, um in diesem Prozess Partei für ihn zu ergreifen.
Er stellte sich vor, wie er zu ihren Füßen kniete und ihr sein Herz ausschüttete. Er stellte sich vor, wie sie ihm versicherte, dass sie ihn verstand. In seiner Vorstellung war sie von einem
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