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Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio - Roman

Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio - Roman

Titel: Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verlag Klaus Wagenbach
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wenn es so weit ist, dann öffnet sich dein Herz und Tränen wärmen deine kalten Wangen. Für den Moment reicht es, wenn Sie wissen, dass Amedeo besser italienisch spricht als Millionen von Italienern, die man wie Heuschrecken in jedem Winkel der Welt antrifft. Ich bin nicht betrunken. Und ich wollte Sie auch nicht beleidigen.
    Ich achte Heuschrecken nicht gering, im Gegenteil, ich respektiere sie, weil sie sich ihre Nahrung auf würdevolle Weise besorgen, ohne sich auf jemand anderen zu verlassen. Außerdem kann ich ja nichts dafür, dass die Italiener so gern reisen und auswandern. Selbst heute noch staune ich jedes Mal, wenn ich höre, was einige italienische Politiker in den Nachrichten und Fernsehsendungen so von sich geben. Nehmen wir zum Beispiel Roberto Bossosso.
    Sie wissen nicht, wer Roberto Bossosso ist? Er ist Chef der Partei Forza Nord, die muslimische Einwanderer als Feinde bezeichnet. Jedes Mal, wenn ich ihn sprechen höre, kriechen Zweifel in mir hoch. Ungläubig sehe ich mich dann um und frage den Erstbesten: »Die Sprache, die Bossosso spricht, ist das wirklich Italienisch?« Bis jetzt habe ich noch keine zufriedenstellenden Antworten erhalten. Zu mir sagen sie oft, »Du kannst ja kein Italienisch« oder »Lerne erstmal die Sprache richtig« oder »Tut uns leid, aber dein Italienisch ist einfach zu schlecht«. Üblicherweise höre ich diese fiesen Sätze, wenn ich mich in Restaurants als Koch bewerbe. Und am Ende lande ich als Tellerwäscher in der Küche. »Sieht so aus, lieber Parviz, als ob Tellerwaschen das Einzige ist, was du kannst!« So provoziert und veralbert Stefania mich gern. Zweifelsohne ist sie enttäuscht von mir. Immerhin war sie die Erste, die mir Italienisch beigebracht hat oder, genauer gesagt, sie hat es wenigstens versucht. Ich bin nicht Amedeo, das ist so klar wie ein Stern am wolkenlosen Himmel von Shiraz. Aber es tut mir leid, Ihnen sagen zu müssen, dass ich in diesem Land nicht der Einzige bin, der kein Italienisch kann. In römischen Restaurants habe ich mit vielen jungen Leuten aus Neapel, Kalabrien, Sardinien und Sizilien zusammengearbeitet. Dabei habe ich herausgefunden, dass unser sprachliches Niveau in etwa gleich ist. Mario, der Koch des Lokals im Bahnhof Termini, hatte nicht Unrecht, als er sagte: »Denk immer dran, Parviz, in dieser Stadt sind wir alle Fremde!« Ich habe in meinem Leben noch nie einen wie Mario gesehen; er trinkt Wein, als wäre es Wasser, und er spürt überhaupt nichts davon.
    Schon gut, von Mario, dem Neapolitaner, erzähle ich bei anderer Gelegenheit. Jetzt wollen Sie also alles über Amedeo wissen und das Menü gleich mit dem Dessert beginnen? Bitte sehr. Der Kunde ist König. Ich erinnere mich noch, wie ich ihn das erste Mal gesehen habe. Er saß an einer der Schulbänke in der ersten Reihe nahe der Tafel. Ich bin auf ihn zu, weil neben ihm ein Platz frei war, habe ihn angelächelt und das einzige italienische Wort gesagt, das ich kannte: »Ciao!« Das ist ein sehr nützliches Wort, man verwendet es sowohl zur Begrüßung als auch zum Abschied. Es gibt noch ein Wort, das genauso wichtig ist: cazzo, der Schwanz, die Scheiße. Man verwendet es, um Wut auszudrücken und um die Nerven zu beruhigen. Ein männliches Monopol gibt es darauf nicht. Auch Benedetta, die alte Hausmeisterin, gebraucht es oft und ohne rot zu werden. Apropos, die alte Benedetta ist Hausmeisterin in dem Gebäude an der Piazza Vittorio, in dem Amedeo wohnt. Dieses verfluchte Weibsstück hat die üble Angewohnheit, sich hinter dem Fahrstuhl zu verstecken, immer bereit, sich mit jeder Person zu zanken, die mit ihm fahren will. Ich mag Aufzüge und benutze sie nicht etwa aus Faulheit, sondern um in Ruhe nachzudenken. Du drückst ohne Kraftanstrengung auf den Knopf, fährst rauf oder runter, und vielleicht bleibt er auch stecken, wenn du drin bist. Ganz wie im richtigen Leben, das ist auch voller Pannen. Mal bist du oben, mal bist du unten. Oben war ich … im Paradies … in Shiraz, glücklich mit meiner Frau und den Kindern, jetzt dagegen bin ich unten … in der Hölle und habe Heimweh. Der Fahrstuhl ist ein Meditationsinstrument. Wie schon gesagt, vertreibe ich mir damit gern die Zeit: Hinauf- und Hinunterfahren ist eine mentale Übung, wie Yoga. Dummerweise beobachtet mich Benedetta wie eine kampfbereite Katze, und ich brauche bloß meinen Fuß in den Aufzug zu setzen, da schreit sie mich schon an: »Guaglio’ 1 ! Guaglio’!«
    Guaglio’ ist das Lieblingswort von

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