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Kreuzigers Tod

Kreuzigers Tod

Titel: Kreuzigers Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Oberdorfer
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seine Hände zitterten, er sah mich gar nicht, als ich ins Zimmer trat. Wie er da kniete und beschwörende Bewegungen machte, wirkte er unglaublich komisch - bis er mein Lachen hörte. Er stand auf, ging auf mich zu, in seinem Gesicht zuckte es ein paarmal, er holte aus und schlug mir, mit voller Wucht, ins Gesicht. Einmal, zweimal, dreimal, glaube ich. Die Schläge taten gar nicht weh, sie waren nur laut, unglaublich laut, und warfen mich um. Er hatte die Fernbedienung nicht gefunden, weil sie nicht rechts, sondern links vom Fernseher auf der Kommode gelegen war, und darüber war er in Panik geraten. Wenig später entschuldigte er sichfür die Schläge. Aber er erreichte mich nicht damit. Von diesem Tag an wandte ich mich gegen sein Regime. Erst nur innerlich. Wenn ich am Anfang unserer Ehe seiner Art zu leben gegenübergestanden war wie einer Zirkusnummer, die ich ein wenig anstaunte, ich hatte ja bis dahin noch nie einen fremden Menschen und schon gar keinen Mann aus der Nähe erlebt, so schaute ich ihm jetzt bei seinen Verrichtungen befremdet zu. Zunächst befremdet, dann ablehnend und schließlich angewidert und immer wieder mit einem Kopfschütteln über das, was ich nie so richtig begreifen konnte, nämlich, dass dieses dressierte Wesen mein Mann war, mein Mann. Natürlich hatte ich auch Mitleid mit ihm, wenn er gerade nicht da war und ich mir dachte, dass niemand so auf die Welt kam, sondern so gemacht worden war, aber wenn er dann kam und mit leerem Augenausdruck und müder Stimme seine Anweisungen gab oder mir lange Vorhaltungen wegen meiner Fehler machte, da konnte ich ihn nur hassen! Wie hasste ich ihn, wenn er mich abkanzelte und mit langen Reden seine Ordnung verteidigte und jede seiner Maßnahmen als absolut sinnvoll und wichtig darzustellen versuchte, als befände sich unser Haushalt im Krieg mit der Außenwelt und müsste alle verfügbaren Mittel nutzen, um nicht schon übermorgen überrollt zu werden und das Daseinsrecht zu verspielen.
    Ein Mann wie Franz folgt seinem Programm eisern. Andererseits kann niemand so verrückt sein, dass nicht irgendwo in seinem Innersten eine Ahnung davon, dass sein ganzes Leben falsch ist, vorhanden bleibt. Und so eine glimmende Ahnung, die manchmal aufflackern konnte, war auch in Franz. Weil er bis zu einem gewis-sen Grad sein eigener Feind war, sein musste, spielte ich für ihn eine wichtige Rolle. Solange ich ihm zu gehorchen versuchte, stützte ich sein Regime, als die Einzige, die ihm unterworfen war. In dem Moment aber, in dem ich mich gegen ihn wandte, wenn auch nur wie am Anfang dadurch, dass ich seinen Anweisungen widerwillig, sichtlich widerwillig gehorchte, in genau dem Moment geriet sein inneres Gleichgewicht in Gefahr. Was tat ich denn? Ich hörte auf, ihn zu verstehen, zum Beispiel. Wenn es zum Beispiel darum ging, in welcher Reihenfolge welche Holzscheite in den Ofen hineinzu- schlichten waren, so stellte ich mich einfach dumm und machte so lange alles falsch, bis er die Geduld verlor und mich vom Ofen wegschob. Dann schaute ich ihm bei seinem kunstvollen Einheizen zu, das tatsächlich zu einem mustergültigen Verbrennen des Holzes führte, und - schüttelte den Kopf, als hätte er völligen Unsinn gemacht, als wäre seine Art des Einheizens nicht im höchsten Grade überlegt und rohstoffsparend, sondern unvernünftig, ja verantwortungslos. So bezweifelt zu werden, und zwar ständig, tat ihm nicht gut. Es verwirrte ihn, die Zweifel begannen ihn regelrecht auszuheben. Man konnte sehen, wie er langsam die Sicherheit verlor und seine Verrichtungen schnell und teilweise mit zitternden Händen erledigte. Selbstverständlich zerstörte diese andauernde Feindseligkeit jede innere Verbindung zwischen uns. Gespräche hatte es ohnehin nie wirklich gegeben, und jetzt waren sie gar nicht mehr möglich, ein Abgrund tat sich zwischen uns auf, und er, Franz, verlor die Kraft, mich zu beherrschen, weil er auf seiner Seite des Abgrunds zusehends in innere Zwistigkeiten verwickelt schien. Wenn es in einem Staat eine Wider-standsbewegung gegen das herrschende Regime gibt, so kann die so lange schwach und unsichtbar bleiben, als sie keine Unterstützung von außen hat. Wenn aber ein Feind von außen den inneren Feind ermuntert und ermutigt, wird die Sache für den Staat gefährlich. Plötzlich bricht an allen Ecken und Enden der Aufruhr los. Und so schien es sich auch mit Franz oder in Franz zu verhalten. Aber dadurch, dass ich meine Stellung im Haushalt stärkte und ihn

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