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Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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nichts wüßte, während sie doch die Geschichte wenigstens schon fünfzehnmal gehört hatte.
    »Das sind die Früchte der heutigen Erziehung! Der junge Mann ist sich ganz selbst überlassen gewesen, als er im Ausland war, und jetzt erzählt man schreckliche Geschichten, die er in Petersburg gemacht hatte, so daß er auf Befehl der Polizei die Stadt verlassen mußte.«
    »Wirklich?« fragte die Gräfin.
    »Er ist in schlechte Gesellschaft geraten«, fügte die Fürstin Drubezkoi hinzu, »und mit dem Sohn des Grafen Wassil und einem gewissen Dolochow zusammen haben sie Gräßlichkeiten begangen. Dolochow hat man zum Soldaten gemacht und den Sohn Besuchows nach Moskau verwiesen.
    Anatols Vater, Fürst Wassil Kuragin, ist es gelungen, den Skandal zu vertuschen, aber man hat ihn auch aus Petersburg verwiesen.
    »Aber was haben sie denn gemacht?« fragte die Gräfin.
    »Es sind wirkliche Räuber, besonders Dolochow«, erzählte Madame Karagin. »Stellen Sie sich vor, sie haben, ich weiß nicht wo, sich eines jungen Bären bemächtigt, ihn in ihrem Wagen zu Aktricen mitgenommen. Die Polizei wollte sie verhaften, aber denken Sie sich, sie haben den Polizeioffizier ergriffen, dem Bären auf den Rücken gebunden und ihn mit dem Polizisten auf dem Rücken in die Moika gejagt.«
    »Ach, ma chère, wie spaßhaft muß der Mensch ausgesehen haben!« rief der Graf, laut auflachend.
    »Aber das ist ganz abscheulich, dabei gibt es nichts zu lachen, cher comte!« rief Madame Karagin, und wider Willen platzte sie ebenso heraus wie der Graf.
    »Es hat viel Mühe gekostet, den Unglücklichen zu retten, und wenn man bedenkt, daß der Sohn des Grafen Besuchow sich auf so unsinnige Weise amüsiert! Er galt doch für einen intelligenten, gut erzogenen Menschen! Nun, ich hoffe, man wird ihn nirgends empfangen, trotz seines Vermögens. Man hat ihn mir vorstellen wollen, aber ich habe diese Ehre sogleich abgelehnt; ich habe Töchter!«
    »Wo haben Sie denn erfahren, daß er so reich ist?« fragte die Gräfin, indem sie den Fräulein den Rücken wandte, die sich sogleich anstellten, als ob sie nichts hörten. »Der alte Graf hat nur natürliche Kinder, und Peter ist eins davon, glaube ich.«
    Madame Karagin machte eine Handbewegung. »Ich glaube, es sind ihrer zwanzig.«
    Die Fürstin Drubezkoi, welche vor Verlangen glühte, mit ihren Beziehungen zu prahlen, ergriff das Wort und sagte leise mit wichtiger Miene: »Das will ich Ihnen sagen. Der Ruf des Grafen Besuchow ist bekannt. Er hat so viele Kinder, daß er selbst nicht die Zahl weiß, aber Peter ist sein Liebling.«
    »Was für ein schöner Greis war er noch vor einem Jahr«, sagte die Gräfin. »Oh, er hat sich seitdem sehr verändert. Apropos, ich wollte Ihnen sagen, daß der nächste Erbe seines ganzen Vermögens der Fürst Wassil ist, durch seine Frau, aber der Alte hatte eine Vorliebe für Peter, hat sich viel mit seiner Erziehung beschäftigt und an den Kaiser über ihn geschrieben. Deshalb kann niemand sagen, wem von beiden die Erbschaft zufällt nach seinem Tod, den man in jedem Augenblick erwartet, Peter oder dem Fürsten Wassil. Das Vermögen ist kolossal, vierzigtausend Seelen und Millionen an barem Kapital. Ich weiß es aus sicherer Quelle, nämlich vom Fürsten Wassil selbst. Der alte Besuchow ist auch ein bißchen verwandt mit mir durch seine Mutter, und er ist der Taufpate von Boris«, fügte sie hinzu.
    »Fürst Wassil ist seit gestern abend in Moskau. Er hat einen dienstlichen Auftrag erhalten.«
    »Ja, aber unter uns gesagt, das ist nur ein Vorwand, er ist nur gekommen, weil er erfuhr, daß das Befinden des Grafen Besuchow schlimmer ist als je.«
    »Aber die Geschichte ist doch sehr gut«, wiederholte der Graf lachend. »Sie kommen doch zu Tisch, nicht wahr, ma chère?«

11
    Tiefes Stillschweigen trat ein. Die Gräfin sah Madame Karagin mit freundlichem Lächeln an, ohne einen Versuch zu machen, ihre Befriedigung darüber, daß sie ging, zu verbergen. Die Tochter der Madame Karagin nahm ihr Kleid zusammen mit einem fragenden Blick nach ihrer Mutter, als man plötzlich die Schritte mehrerer Personen im Nebenzimmer vernahm. Ein Stuhl wurde umgeworfen und ein junges Mädchen von dreizehn Jahren, welches das Musselinkleid aufgenommen hatte und etwas darin trug, stürzte mitten in den Salon und blieb verdutzt stehen. In demselben Augenblick erschien ein Student in seiner Uniform und ein Gardeoffizier, sowie ein junges Mädchen von fünfzehn Jahren und ein kleiner Knabe in

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