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Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Anatol. »Höre!« rief er Peter zu, »ich werde die Wette halten, aber nicht früher als morgen! Jetzt gehen wir alle zu...«
    »Gut, gut, gehen wir«, rief Peter vergnügt, »und Mischka nehmen wir mit!« Er ergriff den jungen Bären, umfaßte ihn mit seinen Armen, hob ihn auf und tanzte mit ihm durchs Zimmer.

10
    Der Fürst Wassil hatte das Versprechen, das er der Fürstin Drubezkoi gegeben hatte, nicht vergessen. Die Bitte wurde dem Kaiser vorgetragen und der Sohn der Fürstin ausnahmsweise als Leutnant in die Garde, in das Semenowsche Regiment aufgenommen. Aber trotz aller Anstrengungen seiner Mutter wurde Boris nicht Adjutant von Kutusow. Einige Zeit nach der Soiree kehrte die Fürstin nach Moskau, zu Rostows, ihren reichen Verwandten, zurück, wo sie sich immer aufhielt. Hier hatte ihr kleiner angebeteter Boris den größten Teil seiner Kindheit verlebt. Die Garde hatte Petersburg am 10. August verlassen, und der junge Mann, der in Moskau durch die Equipierung aufgehalten wurde, sollte sie in Radsiwilow einholen.
    Es war ein Fest bei Rostow, man feierte den Namenstag der Mutter und der jüngsten Tochter Natalie. Eine lange Reihe Wagen brachte eine Menge Besucher nach dem Hause in der Pawarskajastraße. Die Gräfin empfing sie mit ihrer älteren Tochter, einem hübschen Mädchen, im Salon.
    Die Mutter war eine Frau von fünfundvierzig Jahren, mit orientalischem Typus, magerem Gesicht und augenscheinlich etwas erschöpft durch die zwölf Kinder, die sie ihrem Manne geschenkt hatte. Ihre lässigen Bewegungen und langsames Sprechen, welche von ihrer Schwachheit herkamen, verliehen ihr ein imposantes Wesen. Die Fürstin Drubezkoi war bei ihr und half als Familienmitglied die Gäste zu empfangen und das Gespräch zu unterhalten. Die jungen Leute, denen nichts daran lag, an dem Empfang teilzunehmen, hielten sich in den inneren Zimmern auf. Der Graf ging den Ankommenden entgegen und lud sie alle zu Tisch ein.
    »Ich bin Ihnen aufrichtig dankbar, ma chére oder mon cher«, sagte er unabänderlich zu jedem, zu Niedrigstehenden so gut wie zu Höherstehenden, »ich sage Ihnen meinen Dank im Namen derjenigen, deren Namensfest wir feiern. Sie werden unfehlbar zum Diner kommen, nicht wahr? Sonst würden Sie mich beleidigen, mon cher. Ich bitte Sie, mit Ihrer ganzen Familie zu kommen, ma chére.« Er wiederholte genau dieselben Worte bei jeder Einladung und begleitete sie genau mit demselben Gesichtsausdruck. Darauf folgte dann Händedrücken und wiederholte Begrüßung. Nachdem er von den Abfahrenden sich verabschiedet, kam er zu denen zurück, die noch blieben, schob sich einen Lehnstuhl herbei, stellte die Beine vor sich und stützte die Hände auf die Knie. Bald wandte er sich rechts, bald links, wie ein Mann, der Lebensart zu besitzen glaubt. Der Diener der Gräfin erschien an der Tür und meldete mit seiner Baßstimme: »Maria Lwowna Karagin!«
    Die Gräfin überlegte einen Augenblick, indem sie aus einer goldenen Tabaksdose eine Prise nahm.
    »Mein Gott, wie diese Besuche mich erschöpft haben! Und nun noch diese, sie ist so langweilig! Ich lasse bitten, einzutreten!« rief sie traurig dem Diener zu, als ob sie sagen wollte: »Oh, das wird mein Ende sein!«
    Eine große, starke Dame mit hochmütiger Miene trat in den Salon, in Begleitung eines jungen Mädchens mit rundem und lachendem Gesicht. Man hörte das Rauschen ihrer Schleppkleider.
    »Teuerste Gräfin! ... Wie lange schon!... Sie hat zu Bett gelegen, das arme Kind ... auf dem Ball bei Rasumow und der Gräfin Apraxin... ich war so glücklich!«
    Diese Höflichkeiten in abgebrochenen Sätzen mischten sich mit dem Rauschen der Kleider und dem Geräusch der herbeigerückten Stühle. Dann ging die Unterhaltung wohl oder übel vor sich, bis zu dem Augenblick, wo man bei einer ersten Pause sich mit Anstand erlauben konnte, die Sitzung aufzuheben und Abschied zu nehmen mit den stereotypen Redensarten: »Je suis bien charmée«, – »la santé de maman«, – »la comtesse Apraxine.«
    Die Krankheit des alten Grafen Besuchow, eines der schönsten Männer der Zeit Katharinas, diente zum Stoff der Unterhaltung. Man sprach sogar auch von seinem natürlichen Sohne Peter, demselben, der sich auf der Soiree von Fräulein Scherer so ungeschickt benommen hatte.
    »Ich beklage wirklich den armen Grafen«, sagte Madame Karagin, »seine Gesundheit ist so schwach, und einen Sohn zu haben, der ihm solchen Kummer macht!«
    »Was für einen Kummer?« fragte die Gräfin, als ob sie

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