Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
schreibt der katholische Papsthistoriker Kühner von dem einstigen Präsidenten des Konzils von Trient, »waren Maskeraden, Stierkämpfe, Jagden, Kartenspiel um hohe Summen und Gastmähler, die, wie es seinem Wesen entsprach, in ordinäre Lustbarkeiten ausarteten.« Oder wie Ranke, wie so oft schonend, wenn nicht schönfärbend formuliert, »das harmlose vergnügliche Leben auf seiner Villa genügte ihm«.
So ganz doch nicht. Wenn es auch bei all den Freudenbedürfnissen des Papstes fast erstaunt, daß er auch noch Zeit für etwas Kirchenpolitik fand; daß er sich beispielsweise durch Karl V. in einen Krieg gegen den Herzog Ottavio Farnese, einen, wie er sagte, elenden Wurm, den Enkel seines Vorgängers Paul, hineinreißen ließ, einen Krieg, der gefährlich, sehr kostspielig und überdies für den Papst erfolglos war.
Wie Julius III. auch sonst keine großen Erfolge vorzuweisen hat, weder politisch noch kirchlich. Macht es doch selbst auf Ludwig von Pastor, der sich so große Mühe gibt, der Vergessenheit zu entreißen, was sein verkannter Held »für Rom und den Kirchenstaat leistete« (»namentlich seine Sorge für strenge Justiz«!), macht es doch sogar auf den Historiker der Päpste, der wenigstens etwas »Reformatorisches Wirken« des Papstes nachzuweisen sucht, »den peinlichsten Eindruck, daß Julius III., statt innere Einkehr zu halten, sich in geradezu naiver Weise wie die großen Herren der Renaissanceperiode mit Komödien, Hofnarren und Kartenspiel vergnügte.« 22
Noch im Todesjahr des Papstes, im September 1555, schloß man den Augsburger Religionsfrieden. Er war nicht theologisch, sondern kirchenpolitisch motiviert und kam vor allem den Interessen protestantischer wie katholischen Fürsten entgegen, sicherte aber insbesondere den sich zur Augsburger Konfession bekennenden Fürsten und Reichsständen den Besitz der bis 1552 eingezogenen Kirchengüter zu – den »deutschen Kantönlipotentätchen«, wie Theodor Lessing spottet, die durchaus gewillt waren, »die neue Bewegung mitzumachen bis zur äußersten Grenze ihres eigenen Vorteils«.
Preisgegeben wurde durch den Augsburger Religionsfrieden das von Karl V. erstrebte Ziel, dem Reich die religiöse Einheit aufgrund des katholischen Bekenntnisses zu erhalten. Das Konfessionsbestimmungsrecht des Kaisers (der »Skrupel« hatte, in Augsburg mitzuwirken und bald danach abdankte) gemäß dem damals mehrfach ausgesprochenen Grundsatz »Ubi unus dominus, ibi una sit religio«, woraus erst später die bekanntere Formel wurde Cuius regio, eius religio (Wem das Land gehört, dem gehört die Religion), war jetzt aufgehoben. Doch nun beanspruchten dieses Recht die Reichsstände. Das heißt die Fürsten, die reichsunmittelbare Aristokratie und die Reichsstädte hatten freie Religionswahl. Sie konnten fortan zwischen Katholizismus und Luthertum entscheiden, ein Recht, das ihnen zuerst durch den Speyrer Reichstag 1525, nun aber endgültig zuerkannt worden ist. Die Untertanen dagegen blieben an die Entscheidung ihrer Obrigkeit gebunden, blieben vom Recht des Bekenntniszwanges, des sogenannten ius reformandi völlig abhängig. Untertanen, die den religiösen Glauben ihrer Oberen nicht annehmen wollten, konnten nach dem Verkauf ihrer Güter verschwinden, auswandern.
Der Augsburger Religionsfrieden, ein Kompromiß, der viele Unklarheiten, viel Konfliktstoff barg, auch zunächst nur als Provisorium gedacht und vom Papst – jetzt Paul IV. – selbstverständlich verworfen, wurde ein Definitivum, wurde vom Westfälischen Frieden (1648) bestätigt und blieb bis zum Untergang des Reiches 1806 Reichsgesetz. Der sogenannte Religionsfrieden förderte besonders das landesherrliche Kirchenregiment. Von echter Toleranz, von Gewissensfreiheit keine Spur. Die uneingeschränkte Religionsausübung, von den Lutheranern so energisch für sich beansprucht, gestanden sie auf ihren Territorien keinesfalls den Katholiken zu (und umgekehrt). Und ganz wurden Zwinglianer, Calvinisten, Täufer ausgeschlossen. 23
Denn bei Frieden haben die Religionen immer nur an ihren eigenen gedacht.
Anmerkungen zum achten Band
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