Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
erst nachdem man ihn um seine verscharrten 20000 Dukaten gebracht. Man fahndete noch in Gärten und Gräbern nach Gold, in Kanälen und Kloaken, man erpreßte von Scharen Gefesselter, oft unter Todesdrohungen, oft unter teuflischen Martern, ungezählte hohe Lösegelder, zahlte nicht selten 60000 Gulden, der Bischof von Potenza, ein Kaiserlicher, kaufte sich dreimal los und wurde doch ermordet. »In ganz Rom«, meldet ein Bericht, »ward kein Sterblicher über drei Jahre gefunden, der sich nicht loskaufen mußte.« Wer es nicht konnte, wurde erst gefoltert, dann liquidiert. Mancher gewöhnliche Kriegsknecht kam »im Handumdrehen« zu 20000, ja 40000 Dukaten.
Am meisten holte man aus Kirchen und Klöstern, zumal sie auch noch Mengen dorthin geflüchteten Gutes bargen. Selbst die Nationalkirche der Deutschen wie der Spanier wurde ausgeraubt und Sancta Sanctorum, die heiligste Kapelle der heiligen Stadt. Den Sarg Julius' II. hat man geplündert, kostbare Kunstwerke, herrliche Glasmalereien, Handschriften vernichtet, Raffaels flandrische Tapeten verhökert. Die sakrosanktesten Schätze wurden entwendet, geweihte Hostien geschändet, das Schweißtuch der Veronika, die Apostelhäupter, die heilige Lanzenspitze, die ein deutscher Kriegsknecht, am eignen Spieß befestigt, herumschwenkte. Noch die lächerlichsten Reliquien verschwanden, wie (durch Ritter Schärtlin) der Strick, an dem sich Judas erhängt hatte. Und Spanier, Lutheraner, Italiener äfften, entsprechend kostümiert, in grotesken Szenen die Zeremonien der Priester nach.
Viele Mönche wurden ermordet, viele als Kriegsgefangene verkauft, Geistlichen die Nasen, die Ohren abgeschnitten. Der achtzigjährige Bischof von Potenza, der das Lösegeld nicht zahlen konnte, wurde sofort niedergemacht. Hatten doch die Landsknechte sogar Gott versprochen, alle Pfaffen umzubringen. Und mit den Nonnen wurden, vermutlich ohne solche Absprache, die ungeheuersten Greuel begangen.
Man würfelte auf den Hochaltären St. Peters, soff dort mit Nutten, mit halbnackten Hetären aus Meßkelchen, während in den Seitenschiffen, in der Sixtina und anderen Kapellen eingestallte Pferde standen, Bullen und Handschriften als Streu unter sich. Primitivste Kriegsknechte verlustierten sich mit den vornehmsten, den reichsten Damen Roms, entehrten sie vor ihren Männern, Eltern, trieben es mit Marquisen, Gräfinnen, Baronessen, noch lange danach »die Reliquien des Sacco von Rom« genannt. Insbesondere die geilen Spanier, denen man überhaupt das Schlimmste nachsagte, schienen mit Vorliebe Kinder vergewaltigt, die wilden Deutschen, die »frommen Landsknechte«, lieber Kardinäle gefoltert zu haben. Immer wieder auch stritten Spanier und Deutsche um den Raub, und fast wäre es darüber zur Schlacht gekommen, wozu die Deutschen bereits erbeutete Kanonen in Stellung brachten. Es folgte auch, da der Papst die von den Besatzern verlangten Summen nicht zahlen konnte, eine abermalige, teilweise noch schrecklichere Plünderung Roms, wo schließlich zwei Drittel aller Häuser vernichtet, vier Fünftel unbewohnt waren und die Umgegend fünfzig Meilen weit einer Wüste glich. 11
Auf 20 Millionen Golddukaten wurde, vielleicht übertrieben, die Beute des Sacco di Roma geschätzt – mit 250000 hätte der Papst ihn verhindern können, hätte er der Welt das unerhört blutige Schauspiel erspart, das die Soldateska des höchsten weltlichen Herrn der Christenheit in der Stadt ihres höchsten geistlichen Hauptes auf wahrhaft singuläre Weise sozusagen zum Besten gab.
Am 4. Mai hatte Clemens zum Kreuzzug gegen die nur noch drei Stunden vor Rom stehende Armee des Kaisers aufgerufen, »diese Lutheraner und Maranen«, deren Führer Bourbon bloß Verpflegung und freien Durchzug nach Neapel begehrte und für eine große Geldsumme die Stadt wohl geschont haben würde. Clemens aber war in die Engelsburg geflohen, wie dreizehn Kardinäle und einige Tausend Römer, von denen viele auf der Brücke zum Kastell zertreten worden sind, und noch am 5. Mai, als schon Panik in der Stadt grassierte, hatte der Papst, dem mantuanischen Gesandten zufolge, »den allerbesten Mut«.
Zwei Tage später jedoch verhandelte er mit den Kaiserlichen und wollte sich der Großmut Karls übergeben. Er kontaktierte natürlich auch mit der zum Entsatz heranrückenden Ligistenarmee, die dann freilich wieder umgekehrt ist. Inzwischen war auch ein Versuch, ihn zu befreien, mißglückt; in Rom wütete die Pest, die Hungersnot, die Kaiserlichen drohten
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