Kritik der praktischen Vernunft
Erörterung, die ihrer Privatabsicht im Wege sein könnte;) und so werde ich es auch fernerhin halten.
Wenn es um die Bestimmung eines besonderen Vermögens der menschlichen Seele, nach seinen Quellen, Inhalte und Grenzen zu tun ist, so kann man zwar, nach der Natur des menschlichen Erkenntnisses, nicht anders als von den Teilen derselben, ihrer genauen und (so viel als nach der jetzigen Lage unserer schon erworbenen Elemente derselben möglich ist) vollständigen Darstellung anfangen. Aber es ist noch eine zweite Aufmerksamkeit, die mehr philosophisch und architektonisch ist; nämlich, die Idee des Ganzen richtig zu fassen, und aus derselben alle jene Teile in ihrer wechselseitigen Beziehung auf einander, vermittelst der Ableitung derselben von dem Begriffe jenes Ganzen, in einem reinen Vernunftvermögen ins Auge zu fassen. Diese Prüfung und Gewährleistung ist nur durch die innigste Bekanntschaft mit dem System möglich, und die, welche in Ansehung der ersteren Nachforschung verdrossen gewesen, also diese Bekanntschaft zu erwerben nicht der Mühe wert geachtet haben, gelangen nicht zur zweiten Stufe, nämlich der Übersicht, welche eine synthetische Wiederkehr zu demjenigen ist, was vorher analytisch gegeben worden, und es ist kein Wunder, wenn sie allerwärts Inkonsequenzen finden, obgleich die Lücken, die diese vermuten lassen, nicht im System selbst, sondern bloß in ihrem eigenen unzusammenhängenden Gedankengange anzutreffen sind.
Ich besorge in Ansehung dieser Abhandlung nichts von dem Vorwurfe, eine neue Sprache einführen zu wollen, weil die Erkenntnisart sich hier von selbst der Popularität nähert. Dieser Vorwurf konnte auch niemandem in Ansehung der ersteren Kritik beifallen, der sie nicht bloß durchgeblättert, sondern durchgedacht hatte. Neue Worte zu künsteln, wo die Sprache schon so an Ausdrücken für gegebene Begriffe keinen Mangel hat, ist eine kindische Bemühung, sich unter der Menge, wenn nicht durch neue und wahre Gedanken, doch durch einen neuen Lappen auf dem alten Kleide auszuzeichnen. Wenn daher die Leser jener Schrift populärere Ausdrücke wissen, die doch dem Gedanken eben so angemessen sind, als mir jene zu sein scheinen, oder etwa die Nichtigkeit dieser Gedanken selbst, mithin zugleich jedes Ausdrucks, der ihn bezeichnet, darzutun sich getrauen; so würden sie mich durch das erstere sehr verbinden, denn ich will nur verstanden sein; in Ansehung des zweiten aber sich ein Verdienst um die Philosophie erwerben. So lange aber jene Gedanken noch stehen, zweifele ich sehr, daß ihnen angemessene und doch gangbarere Ausdrücke dazu aufgefunden werden dürften. 5
Auf diese Weise wären denn nunmehr die Prinzipien a priori zweier Vermögen des Gemüts, des Erkenntnis- und Begehrungsvermögens ausgemittelt, und, nach den Bedingungen, dem Umfange und Grenzen ihres Gebrauchs, bestimmt, hierdurch aber zu einer systematischen, theoretischen so wohl als praktischen Philosophie, als Wissenschaft, sicherer Grund gelegt.
Was Schlimmeres könnte aber diesen Bemühungen wohl nicht begegnen, als wenn jemand die unerwartete Entdeckung machte, daß es überall gar kein Erkenntnis a priori gebe, noch geben könne. Allein es hat hiermit keine Not. Es wäre eben so viel, als ob jemand durch Vernunft beweisen wollte, daß es keine Vernunft gebe. Denn wir sagen nur, daß wir etwas durch Vernunft erkennen, wenn wir uns bewußt sind, daß wir es auch hätten wissen können, wenn es uns auch nicht so in der Erfahrung vorgekommen wäre; mithin ist Vernunfterkenntnis und Erkenntnis a priori einerlei. Aus einem Erfahrungssatze Notwendigkeit (ex pumice aquam) auspressen wollen, mit dieser auch wahre Allgemeinheit (ohne welche kein Vernunftschluß, mithin auch nicht der Schluß aus der Analogie, welche eine wenigstens präsumierte Allgemeinheit und objektive Notwendigkeit ist, und diese also doch immer voraussetzt,) einem Urteile verschaffen wollen, ist gerader Widerspruch. Subjektive Notwendigkeit, d.i. Gewohnheit, statt der objektiven, die nur in Urteilen a priori stattfindet, unterschieben, heißt der Vernunft das Vermögen absprechen, über den Gegenstand zu urteilen, d.i. ihn, und was ihm zukomme, zu erkennen, und z.B. von dem, was öfters und immer auf einen gewissen vorhergehenden Zustand folgte, nicht sagen, daß man aus diesem auf jenes schließen könne (denn das würde objektive Notwendigkeit und Begriff von einer Verbindung a priori bedeuten), sondern nur ähnliche Fälle (mit den Tieren auf
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