Küstenfilz
gegen den Düsseldorfer Anwalt, dessen
Kanzlei oder deren Auftraggeber einzuleiten. Lüder kam es sonderbar vor, dass
Brechmann nicht zum ersten Mal davor zurückscheute, sich mit den Großen und
Mächtigen anzulegen.
Trotzdem lächelte Lüder vergnügt. Die Meldung in den
Nachrichten und der etwas umfangreichere Beitrag in der nachfolgenden
Magazinsendung im NDR Hörfunk
hatte bei ihm eine heitere Gelassenheit hervorgerufen.
Heute Morgen haben Polizei und Steuerfahndung
überraschend die Geschäftsräume der Holsten Power in Ahrensburg und die
Privatwohnung des Geschäftsführers durchsucht. Auf Grund einer anonymen Anzeige
wird der zweiundvierzigjährige Reiner G. beschuldigt, über eine Million Dollar
Bestechungsgelder kassiert zu haben. G. beteuert seine Unschuld und gibt an,
die Herkunft des Geldes nicht erklären zu können. Die zuständige
Staatsanwaltschaft Lübeck hat einen Haftbefehl wegen Verdunkelungsgefahr
beantragt. Ein Sprecher des Düsseldorfer Energieriesen DEU erklärte heute Mittag, dass man beim Mutterkonzern der
Holsten Power über die Aktion überrascht sei und sich ein Fehlverhalten des
Managers, dem eine große Zukunft prophezeit wurde, nicht erklären könne. Der
Konzernvorstand hat personelle Konsequenzen gezogen und Reiner G. unabhängig
vom Ausgang der Ermittlungen mit sofortiger Wirkung von allen Ämtern entbunden.
Dichtung und Wahrheit
Neben den vier bekannten Großunternehmen, die den
deutschen Strommarkt unter sich aufgeteilt haben, habe ich ein fünftes
erfunden, denn von den real existierenden Konzernen sind uns Lüge, Korruption
und andere Skandale unbekannt. So sind die Anschuldigungen gegen die Manager
reine Fiktion, selbst wenn wir in der jüngsten Zeit häufig von unvorstellbaren
Nachrichten aus den Führungsetagen großer Unternehmen überrascht werden. Es
fällt uns schwer, zu glauben, dass Unternehmen, die auf den Weltmärkten
agieren, sich zu kriminellen Handlungen hinreißen lassen.
Ebenso wie die Namen von Personen und Unternehmen nur
erfunden sind, wohnen in den Orten und arbeiten in den Einrichtungen, auf die
Beschreibungen in meinem Roman passen könnten, Menschen, die mit dem Inhalt des
Buches nichts zu tun haben.
Politische Aussagen und historische Tatsachen sind
aber ebenso der Realität entlehnt wie die Fragen nach der künftigen
Energieversorgung.
Zu vermuten ist auch, dass hinter unserem Rücken viele
Dinge geschehen, von denen wir keine Ahnung haben, und es in Abwandlung eines
Wortes von Bismarck gut ist, dass wir nicht wissen, wie Politik und Leberwurst
gemacht werden.
Mein Dank gilt all jenen, die mich bei der Entwicklung
des Romans begleitet und mir mit klugem Rat zur Seite gestanden haben.
Hannes Nygaard
MORD AN DER LEINE
Niedersachsen Krimi
ISBN 978-3-86358-041-4
»Nygaard entwickelt Sinn für Hannover, eine Stadt, in der Morde noch selten sind und deshalb sich dieser ›Mord an der Leine‹ umso aufregender gestaltet.«
NDR 1, Niedersachsen
Leseprobe zu Hannes Nygaard,
Mord an der Leine
:
EINS
Die tief liegenden Wolken hüllten die Stadt in ein
düsteres Grau. Wo sonst eine farbenfrohe Schaufenstergestaltung, ein
blumengeschmückter Balkon oder das aufreizende Bunt der nachsommerlichen
Frauenkleidung dem Auge einen Anhaltspunkt bot, deckte der kräftige Landregen
heute alles zu. Kaum jemand hatte sich auf die Straße getraut. Wer konnte,
blieb in den eigenen vier Wänden.
Stoßstange an Stoßstange tasteten sich die Fahrzeuge
Richtung Innenstadt. Handwerker, gewerbliche Arbeitnehmer und ein paar
unentwegte Büroangestellte hatten ihren Arbeitsplatz erreicht. Der Rest saß in
seinem Wagen, plierte durch die regennasse Windschutzscheibe und erfuhr den
ersten Stress des Tages, der die Menschen unweigerlich erfasste, wenn ein
simpler Regen den Strom der Autos noch zäher fließen ließ, als es der
morgendliche Berufsverkehr in Hannovers Innenstadt ohnehin nur zuließ.
Gerlinde Scharnowski zog die Nase kraus. Ihr graues
Haar hatte sie mit einer durchsichtigen Regenhaube aus Plastik geschützt. Über
den Schultern hing das leichte Regencape. Die dunkle Stoffhose wies an der
Rückseite schmutzig graue Regenspritzer auf, während die Füße in Schuhen mit
Gummisohlen steckten.
Der Regen war über Nacht gekommen. Noch am Vortag hatte
sie mit ihrem Mann Hubert bis zum frühen Abend auf dem Balkon gesessen und die
immer noch kräftige Septembersonne genossen. Auch der unangenehme Regen hielt
sie nicht von ihrem allmorgendlichen Ritual ab. Beim
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