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Kurpfalzblues

Titel: Kurpfalzblues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Bach
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nie der richtige ist.
    Normalerweise war er derjenige, der die schlechten Nachrichten
überbrachte, an andere, Dritte, an Menschen, die er in der Regel nicht kannte.
    Dieses Mal war es anders. Dieses Mal hatte es ihn getroffen, und es
ließ ihn zurück. Ratlos. Hilflos. Ihn, Kriminalhauptkommissar Andreas Brander,
vierundvierzig Jahre und seit mehr als zwanzig Jahren im Dienst.
    Hatte er gedacht, nur weil er auf der einen Seite des Gesetzes stand,
könne die andere nicht in sein Leben treten? Er stand am Fenster, starrte aus
der dunklen Küche hinaus auf die Straße. Schneeflocken trieben in der
Finsternis durch die Luft, wirbelten durcheinander, schwebten lautlos zur Erde.
Es war kalt.
    Statt zurück ins Bett zu gehen, ging Brander ins Wohnzimmer, nahm
den Ballechin und ein Glas aus dem Regal. Es geschah automatisch, ohne sein
Zutun. Er schaltete die kleine Stehlampe auf der Anrichte an und setzte sich
auf das Sofa. Sein Kopf fühlte sich seltsam leer an. Nein, nicht leer, eher
traurig. Ja, traurig, das traf es besser. Gedankenfragmente tauchten auf und
verschwanden. Fragen blieben unbeantwortet. Traurig und ratlos. Das Gefühl,
etwas übersehen zu haben, etwas nicht bemerkt zu haben. Auf jeden Fall, nicht
zu verstehen, warum er nicht wenigstens etwas geahnt hatte. Leben. Sterben.
Zwei Zustände, so gegensätzlich wie Licht und Dunkel. Hineingleiten in den Tod,
sanft, vorbereitet sein. Aber nicht so plötzlich. So unerwartet. Nicht so. Er
hatte genug Gewalt gesehen. Vielleicht schon zu viel.
    Er nahm die Flasche aus der blauen Schmuckdose. »For the UK Market« , stand auf einem Aufkleber. Daniel hatte ihm die Flasche geschenkt. Er
war beruflich in Schottland gewesen, und die Besichtigung der
Edradour-Distillery hatte zu einem Ausflug mit den Kollegen gehört. Edradour
galt als die kleinste Destillerie Schottlands. Brander kannte die
Whisky-Brennerei. Weiße Häuschen mit roten Toren. Vor vier Jahren war er dort
zum ersten Mal gewesen. Zum zehnten Jahrestag seiner Ehe hatte er mit Cecilia
eine Tour durch die schottischen Highlands gemacht. So klein die Destillerie
auch war, die Vielfalt an Whiskys war enorm. Sie hatten sechs verschiedene
Sorten probiert und waren völlig betrunken im strömenden Regen die schmale
Straße nach Pitlochry zurück ins Hotel gewandert. Sie hatten die nassen Kleider
ausgezogen und unter der Bettdecke ihre nackten Körper aneinandergekuschelt,
sich aneinander gewärmt. Und sie hatten sich geliebt.
    Den Ballechin hatte er damals nicht probiert. Zumindest konnte er
sich nicht an diesen Whisky erinnern – und wenn er ihn schon einmal getrunken
hätte, dann hätte er ihn nicht vergessen. Vielleicht gab es ihn damals noch
nicht. Es war ein starker Whisky mit einer für die Region untypischen rauchigen
Note. Er hatte nicht die Rauchigkeit eines Laphroaig oder eines Talisker, die
nach Asche und Torf schmeckten. Der Ballechin erinnerte ihn an eine Hütte, in
der Aale geräuchert wurden, vermischt mit der süßen Note einer
Sherryfass-Lagerung. Außergewöhnlich und vielschichtig. Der richtige Whisky, um
an nichts anderes mehr zu denken. Brander öffnete die Flasche, schloss einen
Moment lang die Augen, als er das herb-rauchige Aroma roch. Dann goss er die
Flüssigkeit in sein Glas, hielt es vor sein Gesicht und betrachtete die Farbe
im Schein der kleinen Stehlampe. Bernsteinfarben. Helles Bernstein. Er trank
einen kleinen Schluck, wartete, dass sich das Aroma in Mund und Rachen
ausbreitete. Es vermischte sich mit diesem seltsamen Gefühl ratloser
Traurigkeit.
    Eine Tür wurde geöffnet. Kurz darauf fiel ein Lichtstrahl vom Flur
ins Wohnzimmer. Er hörte Schritte auf der Treppe. Sie war barfuß, meinte er am
Geräusch ihrer Schritte zu erkennen. Sie sollte Hausschuhe tragen, die Fliesen
sind eiskalt, ging es ihm durch den Kopf. Sie blieb an der Türschwelle zum
Wohnzimmer stehen, die Arme fröstelnd um ihren Oberkörper geschlungen. Sie
hatte keinen Morgenmantel übergezogen. Sie zog nie einen Morgenmantel an, und
er fragte sich, warum er ihr eigentlich zum Geburtstag einen geschenkt hatte.
Hatte sie sich nicht einen gewünscht?
    »War das deine Dienststelle?«, fragte Cecilia. Sie hatte also das
Läuten des Telefons gehört, dabei hatte er sich beeilt, das Gespräch
entgegenzunehmen. Er hatte Bereitschaft und wollte nicht, dass ihr Schlaf gestört
wurde.
    Im Gegenlicht des Flurs konnte er ihr Gesicht nicht erkennen, sah
nur ihre Silhouette, sehnte sich danach, sie in seine Arme zu nehmen und

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