Kurpfalzblues
Whisky.«
»Fahr bitte vorsichtig. Es ist glatt draußen.« Sie fragte nicht, wie
er in dieser Situation zur Arbeit gehen konnte. Sie ließ ihn gehen. Später.
Später würden sie über alles reden.
Die Seitenstraßen waren zugeschneit, als Brander sich mit dem Wagen
auf den Weg machte. Selbst die B 28, die von Entringen nach Tübingen
führte, war mit einer kleinen Schneeschicht überzogen. Die Räumdienste kamen
mit der Arbeit in dieser Nacht nicht nach.
Mehr als eine Dreiviertelstunde war vergangen, seit Sabrina ihn
angerufen hatte. Er hatte sich nicht zur Eile antreiben können. Noch immer
waren da zu viele Gedanken in seinem Kopf. Als er am Tatort ankam, waren die
Arbeiten bereits voll im Gang. Brander parkte den Wagen am Straßenrand,
schaltete die Scheinwerfer aus und starrte durch die Windschutzscheibe auf das
geschäftige Treiben. Kollegen von der Schutzpolizei hatten den Tatort abgesperrt
und hielten Schaulustige fern. Obwohl es fast zwei Uhr morgens war, hatte es
einige Anwohner aus ihren warmen Wohnungen getrieben. Fröstelnd standen sie im
Schnee. Der Wagen des Erkennungsdienstes war vor Ort. Männer und Frauen in
weißen Anzügen sicherten die Spuren. Sie würden nicht viel finden, ahnte
Brander schon jetzt. Er entdeckte Hendrik Marquardt, der eigentlich keinen
Bereitschaftsdienst hatte, aber anscheinend schon gerufen worden war.
Vielleicht hatte Peppi das veranlasst, seine Kollegin mit dem griechischen
Temperament und einer Ruppigkeit, mit der sie ihr weiches Herz zu verbergen
versuchte.
Augenblicklich kehrte die Erinnerung an Daniels Anruf zurück. Was
hatte Babs vor ihnen verborgen? Was hatten sie nicht gesehen? Seine Finger
krampften sich um das Lenkrad. Einen Moment lang schloss er die Augen. Was
machst du hier?, fragte er sich im Stillen. Er sollte jetzt auf dem Weg nach
Düsseldorf sein. Aber nun war er in Tübingen und hatte Dienst, und außerdem
wollte Daniel nicht, dass er kam.
Er nahm die Hände vom Lenkrad, rieb sich kräftig durch das Gesicht,
als könnte er damit alle familiären Sorgen abwaschen. Er zog den Reißverschluss
seiner Jacke hoch, setzte die bunte Strickmütze auf und stieg aus dem Wagen.
Brander brauchte einen Moment, bis er in der vermummten Gestalt
neben dem Erkennungsdienstler seine Kollegin erkannte. In der weißen
Daunenjacke und dem überdimensionalen hellblauen Schal, den sie dreimal um Hals
und Gesicht gewickelt hatte, sah Peppi aus wie ein Marshmallow auf dem Weg zu einer
Polarexpedition. Einer einzigen schwarzen Locke war es gelungen, sich aus der
Kapuze hervorzustehlen.
»Hallo, Schneemann.« Er trat neben Peppi, versuchte, einen lockeren
Ton anzuschlagen. Seine Sorgen waren Privatsache. Er nickte dem Kollegen vom
Erkennungsdienst zu, bedauerte einen Augenblick, dass es nicht Manfred Tropper
war.
»Schneefrau«, korrigierte Peppi Brander. Sie hob den Blick. »Schicke
Mütze.«
Er ahnte ein boshaftes Grinsen unter dem blauen Schal. Die Mütze war
sicherlich seit Jahren aus der Mode und hatte schon bessere Zeiten gesehen,
aber er konnte sich nicht davon trennen.
»Man tut, was man kann.« Ihn befiel eine leichte Dankbarkeit dafür,
dass Peppi hier war. Das lockere Geplänkel mit der Kollegin nahm etwas von der
Last, die auf seine Schultern drückte.
»Du hast dir Zeit gelassen«, stellte Peppi fest.
Brander zuckte die Achseln. »Klär mich auf.«
Sie gab ihm mit einer Kopfbewegung zu verstehen, ihr zu folgen. Kurz
darauf saßen sie im schützenden Inneren der grünen Minna, die allerdings im Rahmen
der Europäisierung inzwischen blau war. Den Spitznamen hatte der Einsatzwagen
dennoch behalten.
Sie zogen die Handschuhe aus, öffneten ihre dicken Jacken, und Peppi
rieb fröstelnd ihre Hände aneinander. Brander wartete schweigend, bis die
Kollegin mit ihrem Bericht begann.
»Also, kurz nach Mitternacht erhielten wir einen Notruf«, erklärte
sie schließlich. »Ein Mann sei zusammengeschlagen worden und läge auf der
Straße. Eine Streife ist rausgefahren. Ein türkisches Paar war bei dem Mann und
versuchte, ihn mit Decken zu wärmen. Da hat er noch gelebt. Der RTW traf gegen halb eins ein und brachte
ihn in die Klinik. Noch während im Krankenhaus die Not- OP vorbereitet wurde, erlag er seinen Verletzungen. Dann
wurden wir gerufen. Der Tatort war bereits abgesperrt, allerdings hat das nicht
viel genützt, weil die Rettungsassistenten und der Notarzt ja hier voll im
Einsatz waren. Hinzu kam, dass durch die Sirenen und Blaulichter die Leute
neugierig
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