Kurtisanen leben gefährlich
meiner Mutter in ihrem Salon zu finden war. Und wenn sie sich wirklich so nahe standen, wie es die Artista behauptet hatte, zweifelte ich nicht daran, dass dieses Bild magischer Natur war und es ihr erlaubte, meine Familie zu beobachten, wann immer sie das Bedürfnis danach verspürte.
Auch die Augen der Artista hatten mich stutzig gemacht. War sie mit Andrea Luca verwandt? Ich hatte eine flüchtige Ähnlichkeit erkennen können, die mir zu schaffen machte, denn wie sollte die Santorini Familie in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zu den Santi stehen? Beide Familien waren schon seit Jahrhunderten verfeindet. Sicher wäre die Hochzeit von Alesia und Andrea Luca eine Brücke für die Zukunft gewesen und der Bruch dieser Verlobung bedeutete für die zukünftigen Beziehungen nichts Gutes.
Ich wunderte mich darüber, wie der Fürst einen solchen Fehler hatte begehen können, war er doch als ein wahrhaftiges Genie bekannt. Wenn ich allerdings an Delilahs Magie und ihre offensichtlichen Reize dachte, erstaunte es mich kaum, dass auch er diesmal den Kopf verloren hatte. Pascale Santorini war, bei aller Genialität, nur ein Mann, der dem geschickt gesponnenen Netz einer Frau zum Opfer fallen konnte.
Der Zorn wärmte mich von innen und trotzte der Kälte dieser Mauern für den Augenblick. Bisher hatte sie es verhindert, dass ich meiner Umgebung mehr Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Doch nun, da ich mich ein wenig beruhigt hatte und die ersten unheilvollen Gedanken beiseitegeschoben waren, sah ich, dass die Türen des großen Wandschrankes nur angelehnt waren.
Neugierig näherte ich mich dem Schrank, um zu sehen, welche zweifelhaften Wohltaten Signora Santi diesmal für mich bereithielt und blieb zögerlich davor stehen. Doch dann zuckte ich ergeben die Schultern - was nutzte es, dumm vor dem Schrank herumzustehen und zu warten, bis er sich von allein öffnete? Diesmal war ich wesentlich besser vorbereitet und so erschrak ich nicht allzu sehr, als ich einige meiner eigenen Kleider vorfand. Ihre vielfältig leuchtenden Farben ersetzten das Weiß, das sich zuvor darin befunden hatte.
Ein warmes Aufwallen in meinem Magen fachte meine Wut von Neuem an. Einer der Handlanger von Signora Santi war in mein Haus eingedrungen, um dafür zu sorgen, dass sie das bekam, was sie wünschte. Ein Fremder hatte in meinen persönlichen Habseligkeiten herumgewühlt, ohne dass ich die Macht besaß, es zu verhindern. Ich war an einem Punkt angelangt, an dem es mir schwerfiel, der Artista edle Motive zu unterstellen.
Ich war kurz davor, die Türen wütend zu schließen, als mir nachtblau schimmernde Seide auffiel, die mit zarten, silbernen Fäden bestickt war. Vorsichtig nahm ich das Kleid aus dem Schrank, das mir Andrea Luca damals, in jener sorgenfreien Zeit, geschenkt hatte, als mein Leben noch in normalen Bahnen verlief, streichelte einmal mehr über den glatten Stoff und die kleinen, diamantenen Rosen, die ihn rau machten.
Also hatte Beatrice Santi auch dieses Kleid in den Palazzo bringen lassen. Zu welchem Zweck und woher sie davon wissen mochte, blieb jedoch offen. War es nur Zufall oder Absicht? Das üble Gefühl, das sie Andrea Luca und mich damals beobachtet hatte, hinterließ einen schlechten Geschmack in meinem Mund, der einfach nicht vergehen wollte.
Seufzend hängte ich das Kleid und die damit verbundenen Erinnerungen in den Schrank zurück und blickte zum ersten Mal seit Tagen bewusst auf den blitzenden Rubin an meinem Finger.
Ich vermisste Andrea Luca von Tag zu Tag mehr. Wenn er nicht bei mir war, fühlte sich mein Herz leer und einsam an und nur ein dumpfer Schmerz erinnerte mich daran, dass es noch schlug und ich am Leben war. Es war einfacher, wenn ich abgelenkt wurde und sich meine Gedanken auf etwas anderes konzentrierten, aber in der Nacht, wenn ich allein war, kehrte der Schmerz zu mir zurück. Er brachte mir Visionen von Andrea Luca und Delilah, die ich nicht sehen wollte und die mich stets schweißgebadet erwachen ließen.
Hätte ich ihm doch nur so vertrauen können, dass ich einen Sinn in dem Spiel der Artista erkennen konnte und seine Absicht, die dahinter stand. Ich fühlte mich verraten und konnte mir kaum vorstellen, dass sie mir helfen wollte, selbst wenn ich die Tochter der Fiora Vestini war. Als Kurtisane war ich die erklärte Gegenspielerin einer jeden Artista und das Verhalten der Fürstin deutete nicht darauf hin, dass ich ihr je an ihr kaltes Herz wachsen würde. Und darüber hinaus - welche Hilfe
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