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Lautlos

Lautlos

Titel: Lautlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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benötigte. Im zweiten Raum lag Gruschkows Zentrale, dahinter die Toilette.
    Drake gestattete sich ein dünnes Lächeln. Sie würden ganz schön überrascht sein. Aber wahrscheinlich würde ihnen nicht mal dazu Zeit bleiben. Alles würde blitzschnell gehen.
    Er sah an der Mauer hoch. Annähernd drei Meter fünfzig. Ein Kinderspiel. Natürlich hätten sie ebenso gut durch den Haupteingang hineinmarschieren können. Drake besaß eine Fernbedienung für das Rolltor, aber Jana hätte den Lärm gehört.
    Also von hinten über die Mauer.
    »Noch mal in Kurzfassung«, sagte er. »Wenn wir drüben sind – geräuschlos! –, begebt ihr euch zur Vordertür. Sprengsatz anbringen, zünden, rein und draufhalten. Es kann allenfalls O'Connor im Weg rumstehen, Kuhn ist an die Wand gekettet, aber ihr dürft keinen von beiden erwischen. Wenn wir die anderen erledigt haben«, er machte eine Pause, um die Genialität des Plans noch ein wenig auszukosten, »kommt der Rest.«
    Den Handschuh überstreifen. Jana die Waffe aus den erstarrten Fingern nehmen.
    O'Connor und Kuhn erschießen.
    Verstärkung anfordern. Secret Service, deutsche Polizei.
    Perfekt.
    »Wir gehen rein«, sagte er.
WAGNER
    Im Fernsehen sah es irgendwie spektakulärer aus, dachte sie. Es wurde eindrucksvoller gestorben, und es klang ganz anders, wenn jemand schoss. Die Waffe der Frau hatte lediglich einen seltsam trockenen Knall von sich gegeben, und der blonde Mann war umgefallen. Kein Schrei, nichts, einfach so. Er hatte sie angebrüllt, sie hatte die Pistole auf ihn gerichtet, er hatte aufgehört zu brüllen.
    Sie starrte, Kuhns Kopf in ihren Schoß gebettet, auf die Terroristin. Wie in Trance registrierte sie, dass die Waffe nun auf sie gerichtet war. Silberman neben ihr schnappte nach Luft. Seine Lippen bebten. Die Frau kam mit raschen Schritten näher, die Waffe gezückt, gefolgt von dem Kahlköpfigen. O'Connor trat ihr in den Weg und hob beschwörend die Hände.
    »In Ordnung«, sagte er. »Alles in Ordnung. Okay? Wir tun, was Sie verlangen.«
    Wagner fühlte den unbändigen Drang zu schreien. Zugleich war ihr, als pressten eiserne Klammern den letzten Atem aus ihr heraus. Schlagartig wurde ihr klar, was überhaupt geschehen war. Ihr Blick fiel auf die merkwürdige Konstruktion auf der anderen Seite der Halle. Das Ding ruhte auf Schienen und war riesig. Wie ein flacher Güterwagon mit quer gestellten Rädern sah es aus, und unvermittelt begriff sie, was es wirklich war.
    Sie hatten den Laser gefunden.
    Sie würden alle sterben.
    Die Frau musterte sie finster.
    »Rührt euch nicht«, zischte sie. »Keiner von euch.«
    Sie sagte etwas zu dem Mann mit der Glatze. Er nickte und machte eine unmissverständliche Gebärde des Halsdurchschneidens, während er weiter die Waffe auf sie gerichtet hielt.
    »Kika«, stöhnte Kuhn. Er schlug die Augen auf und hustete. Wagner stellte fest, dass ein stechender Geruch von ihm ausging. Urin, Blut, Ausdünstungen der Angst. Es machte alles nur noch schrecklicher.
    Sie wartete auf weitere Plops, darauf, auch O'Connor umfallen zu sehen und Silberman, und auf den Moment, da das Projektil auf sie zufliegen würde, aber nichts dergleichen geschah. Sie sah die Frau ihre Waffe senken und an ihr vorübergehen, den Blick auf Kuhn gerichtet. Eine seltsame Traurigkeit lag plötzlich auf ihren Zügen. Kuhns Augen weiteten sich. Er hob unter Mühen den Kopf und verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen.
    »Nett, dich wiederzusehen, Jana«, sagte er.
    Die Frau betrachtete ihn.
    »Ich habe das nicht gewollt«, sagte sie. »Das kannst du mir glauben.«
    Kuhn kicherte.
    »Hast du wenigstens bekommen, was du gewollt hast?«
    Sie zögerte. Dann wandte sie sich ab und ging weiter in den hinteren Bereich der Halle.
    Im selben Moment explodierte die Tür.
60 SEKUNDEN
    Der Lauf der Zeit verlangsamte sich.
    Im Blitz der Detonation erschienen Jana, Gruschkow, Silberman, O'Connor und Kuhn wie Figuren auf einem Foto. Der Knall hallte in Wagners Schädel wider, dann kippte seine Frequenz nach unten weg und verwandelte sich in hohles, dumpfes Dröhnen. Die Bruchstücke der Tür flogen nicht in den Raum, sondern schoben sich herein, kamen inmitten von Skulpturen aus feurigem Rauch herangekrochen, schwarz und zerdehnt.
    Alles stagnierte für die Dauer einer hundertstel Sekunde.
    Stillstand.
    Dann hatte Wagners Rezeptionsvermögen die Realität wieder eingeholt, und die Ereignisse vollzogen sich umso schneller. Es krachte, splitterte, barst. Kuhn bäumte sich auf

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