Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy
dreißig Seiten, sagte mein Vater und schlug die Blätter um, – sind ein wenig trocken; und da sie nicht unmittelbar zur Sache gehören, – können wir sie für jetzt überschlagen; es ist eine vorwortliche Einleitung, fuhr mein Vater fort, oder ein einleitendes Vorwort (ich bin noch nicht entschlossen, welchen Namen ich ihm geben will) über politische oder bürgerliche Regierung: Da der Grund der letzteren auf der ersten Verbindung zwischen Mann und Frau zur Fortpflanzung der Gattung beruht, – so kam ich unwillkürlich darauf. – Ganz natürlich, bemerkte Yorick.
Der Ursprung der Gesellschaft, fuhr mein Vater fort, ist nach meiner Ueberzeugung derjenige, wie ihn Politian bezeichnet, nämlich ein rein eheständlicher; nichts mehr und nichts weniger als das Zusammenkommen eines Manns und einer Frau; – denen der Philosoph (nach Hesiod) noch einen Diener beifügt: – da er aber annimmt, daß es anfangs noch keine männlichen Diener gab, – legt er den Grund mit einem Mann, – einer Frau, – und einem Stier. – Ich glaube, daß es ein Ochse war, bemerkte Yorick und citirte den Satz: ’Ο̃ικον μὲν πρώτιστα, γυναι̃κα τε, βου̃ν τ' αρότηρα. – Ein Stier hätte mehr Verdruß gemacht als sein Kopf werth ist. – Es gibt jedoch noch einen besseren Grund, sagte mein Vater und tauchte die Feder ein, denn da der Ochse das geduldigste und zugleich nützlichste Thier ist, indem er den Boden zu ihrer Ernährung pflügte, – so war er das geeignetste Werkzeug und Sinnbild für das neu vereinigte Paar, das der Schöpfer mit ihnen in Verbindung bringen konnte. – Es gibt noch einen stärkeren Grund für den Ochsen als diese alle, setzte mein Onkel Toby hinzu. – Mein Vater vermochte die Feder nicht aus dem Tintenfaß zu ziehen, bis er den Grund meines Onkels Toby gehört hatte. – Denn, sagte mein Onkel Toby, wenn der Boden bestellt war und einer Umzäumung bedurfte, begann man ihn durch Wall und Graben zu sichern, und das war der Anfang der Befestigung. – Richtig, richtig, lieber Toby, rief mein Vater, strich den Stier aus und setzte den Ochsen dafür.
Mein Vater winkte Trim, daß er das Licht putzen möge und fuhr in seiner Abhandlung fort.
Ich gehe nur deshalb näher auf diese Betrachtung ein, sprach mein Vater leichthin und das Buch beim Fortfahren halbschließend, um die natürliche Verbindung zwischen dem Vater und seinem Kinde zu begründen, über welches er Recht und Gerichtsbarkeit auf folgenden verschiedenen Wegen erlangen kann:
- durch Heirath;
- durch Adoptirung,
- durch Legitimirung und
- durch Zeugung, welche Wege ich sämmtlich für ordnungsmäßig halte.
Auf einen derselben lege ich ein geringes Gewicht, versetzte Yorick, – die Handlung, besonders wofern sie damit endigt, legt meiner Ansicht nach dem Kind ebensowenig Verbindlichkeit auf, als sie dem Vater Gewalt überträgt. – Da irren Sie sich, – sagte mein Vater mit Schärfe; und zwar einfach deshalb * * * * * * * * * * * ich gebe jedoch zu, setzte mein Vater hinzu, daß der Sprößling auf diesen Grund hin nicht so unter der Gewalt und Gerichtsbarkeit der Mutter steht. – Aber, entgegnete Yorick, der Grund gilt doch eigentlich auch für sie. – Sie steht selbst unter Autorität, sagte mein Vater: – und überdies, setzte mein Vater mit einem bedeutungsvollen Nicken hinzu und legte den Finger an die Nase, während er seinen Grund aussprach, – ist sie nicht das Hauptagens, Yorick? – Bei was? fragte mein Onkel Toby, indem er seine Pfeife stopfte. – Allerdings aber, fügte mein Vater hinzu (die Frage meines Onkels Toby ignorirend), ist ihr der Sohn Ehrerbietung schuldig; wie Sie im ersten Buch der Institutionen des Justinian, Titel elf, Section zehn des Breiteren lesen können, Yorick. – Das kann ich auch im Katechismus, versetzte Yorick.
150. Kapitel.
Trim kann ihn Wort für Wort auswendig, sagte mein Onkel Toby. – Puh! machte mein Vater, der eben kein Verlangen darnach trug, durch das Katechismusaufsagen Trims unterbrochen zu werden. – Ja, das kann er, auf Ehre! fuhr mein Onkel Toby fort; fragen Sie ihn nur daraus, Herr Yorick. – Das fünfte Gebot, Trim? fragte Yorick mit sanfter Stimme und einem liebreichen Nicken, als ob er einen schüchternen Confirmanden vor sich hätte. – Der Corporal schwieg stille. – Sie fragen ihn nicht richtig, sagte mein Onkel Toby, indem er seine Stimme erhob und rasch und lebhaft, als ob er kommandirte,
Weitere Kostenlose Bücher