Leichenspiele: Ein Max-Broll-Krimi (German Edition)
Wasser. Und Baronis Stimme, die plötzlich einfach da war. Hinter ihm. Neben ihm. Wie sie sich umarmten irgendwo in Thailand. Minutenlang, zwei Freunde am Strand. Wie Baroni einen zweiten Plastiksessel in den Sand drückte und sich zu ihm setzte.
– Wie hast du mich gefunden?
– War nicht allzu schwer, die Insel ist ja nicht besonders groß. Außerdem kennt man dich hier. Der Mann auf dem Boot hat mich direkt hierher gebracht.
– Was machst du hier?
– Das wollte ich dich fragen. Das ist das Ende der Welt hier.
– Ich schau mir den Himmel an.
– Na dann schau ich mal eine Runde mit.
– Ach, Baroni, schön, dass du da bist.
– Es schaut so aus, als würde es dir gutgehen.
– Ja. Besser. Viel besser.
– Das ist gut, Max. Das ist sehr gut.
– Es ist wirklich wunderschön hier.
– Ja, ist es.
– Und zuhause?
– Wir haben uns um ihr Grab gekümmert.
– Danke.
– Tilda sagt, ich soll dich zurückbringen.
– Wie geht es ihr?
– Sie vermisst dich.
– Ich weiß.
– Es ist viel passiert, seit du weg bist.
– Siehst du, wie sich der Himmel verfärbt?
– Die Sonne geht unter, ja.
– Das ist wunderschön, Baroni.
– Zuhause geht die Sonne auch unter.
– Das ist etwas anderes. Da sind die Berge dazwischen, das ist nicht dasselbe.
– Sonne ist Sonne.
– Nein, nein, nein. Diese Sonne hier macht mich glücklich.
– Darauf sollten wir trinken, Max.
– Nein.
– Dann trinken wir eben auf das Meer, oder auf unser Wiedersehen.
– Ich trinke nicht mehr.
– Was tust du?
– Kein Alkohol seit vier Monaten.
– Ich dachte, es geht dir besser?
– Ich brauche das nicht mehr.
– Blödsinn.
– Ehrlich, es hat mir gutgetan, darauf zu verzichten.
– Aber irgendwann reicht es, oder? Wir trinken jetzt ein schönes, kaltes Bier zusammen.
– Du kannst ja saufen, wenn du willst.
– Jetzt übertreibe es nicht, Max, vier Monate, das ist eine halbe Ewigkeit.
– Würde dir auch guttun, mal ein bisschen kürzerzutreten.
– Wirst du jetzt zum Heiligen, weil du hier stundenlang in den Himmel starrst, oder was?
– Besauf dich, wenn du willst, aber lass mich bitte in Ruhe.
–
–
– Max?
– Was?
– Kommst du mit?
– Wohin?
– Zurück.
– Warum?
– Warum nicht?
– Weil man der Sonne hier zuschauen kann, wie sie ins Wasser fällt. Weil man hier keine Schuhe braucht. Weil ich mein altes Leben nicht vermisse, Baroni, hier geht es mir gut, verstehst du? Es tut nicht mehr weh, ich muss nicht mehr Tag und Nacht an sie denken.
– Bitte, Max.
– Was ist los mit dir?
– Du musst mit mir mitkommen.
– Nichts muss ich.
– Doch, Max, du musst. Ich brauche dich.
– Ich will jetzt sofort wissen, was los ist.
– Ich sagte doch, es ist viel passiert in den letzten vier Monaten.
– Was, Baroni?
– Ich kann nicht mehr.
– Was kannst du nicht mehr?
– Ich bin pleite, Max.
– Was bist du?
– Pleite, bankrott, kein Geld mehr, alles weg.
– Was redest du da? Das kann nicht sein.
– Doch, Max, es ist alles weg.
– Was, alles?
– Die Wohnungen in Wien, die Wertpapiere, da ist kein Euro mehr auf meinem Konto, das Haus gehört der Bank. Steuerschulden, die machen mich fertig, Max.
– Nein.
– Die wollen mir das Haus nehmen.
– Scheißdreck, Baroni.
– Mehr als das, Max.
– Und La Ortega?
– Die ist weg. Sobald sie gemerkt hat, dass ich nichts mehr habe, ist sie auf und davon.
– Das war die große Liebe, was?
– Das ist jetzt mein kleinstes Problem, Max. Ich bin am Ende. Weiter nach unten geht’s nicht. Ich habe es versaut, ich kann nicht mehr zurück, verstehst du? Mein altes Leben gibt es nicht mehr, es ist nichts mehr übrig, ich bin im Arsch, Max.
– Du holst uns jetzt Bier, und dann erzählst du mir alles.
Nebeneinander in Thailand. Baroni und Max.
Wie das kalte Bier in ihren Bäuchen ankommt, wie Baroni zusammenbricht. Der ehemalige Fußballstar, der Torschützenkönig, der erfolgreiche Legionär, der Mann mit der Designervilla im Dorf, Max’ Nachbar und Freund seit fünf Jahren. Er erzählt, wie es kam. Wie sein Vermögen immer weniger wurde, wie er es verspielt hat.
Wetten und Pokern. Baroni beichtet, geknickt und kleinlaut erzählt er, wie das Kartenhaus einzustürzen begann vor drei Monaten, wie ein Stein nach dem anderen ins Rollen kam. Wie er sich immer noch tiefer ins Unglück ritt, wie er alles wieder gutmachen wollte und einsetzte, was er noch besaß. Möbel, Fernseher, Auto. Er hat alles verspielt, immer weiter
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