Leichenspiele: Ein Max-Broll-Krimi (German Edition)
Ohne sich umzudrehen, ohne nachzudenken. Vielleicht hätte er selbst es auch genommen, wenn es einfach so dagelegen wäre, wenn ihm das Wasser auch bis zum Hals gestanden wäre. Vielleicht.
Max leert das ganze Wasser, das noch im Kübel ist, über die Steine im Ofen. Er hätte ihm weiter zuhören sollen, Baroni hätte es verdient. Das und noch viel mehr. Plötzlich tut es ihm leid, dass er nur an sich gedacht hat, an sein Leben, an seine Haut, dass er einfach gegangen ist. Schnell zieht sich Max an, geht wieder nach oben. Er wird seinem Freund helfen, egal, was passiert. Deshalb ist er hier, deshalb ist er zurückgekommen.
Max findet Baroni dort, wo er ihn zurückgelassen hat. Niedergeschlagen entschuldigt er sich, als Max den Raum betritt.
Es ist einfach passiert, sagt er.
Scheiß drauf, sagt Max.
Sie sitzen am Boden, vor ihnen bedrohlich der große Karton. Laut liest Max noch einmal den Brief vor, laut zerknüllt er den Zettel und wirft ihn in die Ecke.
– Den Arschgeigen zeigen wir’s.
– Warum ich, Max? Warum?
– Weil ganz Österreich weiß, dass du Geld brauchst. Und weil ganz Österreich weiß, dass dein Freund Totengräber ist. Wir waren ja oft genug im Fernsehen letztes Jahr.
– Was ist in dem Karton, Max?
– Ich will es nicht wissen.
– Die wollen, dass wir verschwinden lassen, was da drin ist.
– Dann machen wir das einfach.
– Was machen wir?
– Wir lassen den Karton jetzt verschwinden.
– Aber Max.
– Aber was?
– Einfach so?
– Du hast gesagt, du brauchst meine Hilfe.
– Ich befürchte, mir bleibt keine andere Wahl.
– Mit wem hast du dich da nur eingelassen, Baroni.
– Ich habe keine Ahnung, Max, ich habe doch nur das Geld genommen.
– Ja, das hast du.
– Es tut mir wirklich so leid.
– Du sollst endlich aufhören, dich zu entschuldigen, sonst müssen wir gleich darüber reden, was ich schon alles verbockt habe.
– Das wäre vielleicht eine nette Ablenkung.
– Sei still und lass uns das jetzt erledigen.
–
–
– Max?
– Was?
– Woher wissen die, dass du heute noch ein Grab ausheben musst?
– Woher wussten die, dass du das Geld genommen hast?
– Die sind in der Nähe, oder?
– Sind sie.
– Die meinen es ernst, oder?
– Schaut so aus.
– Und warum passiert uns das?
– Weil es zu uns passt, Baroni.
– Ich wollte das mit dem Stand wirklich durchziehen.
– Ich weiß.
– Wenn das vorbei ist, stehe ich wieder hinter dem Tresen, versprochen.
– Du versprichst mir jetzt etwas anderes.
– Was?
– Du spielst nicht mehr.
–
– Versprich es mir, Baroni. Keine Karten, keine Wetten, nichts. Nie wieder.
– Ist gut.
– Du sollst es mir versprechen.
– Ich hätte alles wieder in Ordnung bringen können mit dem Geld.
– Hast du aber nicht.
– Es war knapp, Max. Richtig knapp.
– Du hast es verspielt, und die wussten, dass das passieren wird.
– Aber …
– Nichts aber, du sollst es mir versprechen. Jetzt.
– Ja, ist ja schon gut, ich verspreche es dir.
– Es ist besser so, glaub mir.
– Besser wäre es, wenn das alles erst gar nicht passiert wäre.
– Ist es aber. Und deshalb werden wir jetzt gemeinsam ein schönes großes Loch graben.
–
–
– Willst du gar nicht wissen, was in dem Karton ist, Max?
– Nein.
– Warum nicht?
– Weil ich es riechen kann.
Vier
Das Grab ist für den Altbürgermeister.
Mit siebenundachtzig hat ihn der Krebs in den Tod gerissen. Eines der schönsten Gräber hatte er sich reserviert, für sich und seine Frau, gemietet für die nächsten fünfzig Jahre. Ein Platz in der Sonne.
Max gräbt. Schaufel für Schaufel bringt er die Erde nach oben, mit nacktem Oberkörper steht er hüfthoch im neuen Zuhause des langjährigen Dorfchefs. Er muss tiefer graben als sonst. Viel tiefer. Zwei Meter zwanzig ist Standard, heute werden es drei Meter zwanzig sein. Vorsichtig schalt er, keine Erde darf einbrechen, er darf sich keine unnötige Arbeit machen, er ist vorsichtig, Stück für Stück gräbt er sich nach unten. Langsam verschwindet sein Oberkörper, sein Kopf, man sieht nur noch, wie Erde nach oben fällt.
Ein Grab wie jedes andere, nur tiefer.
Max weiß, dass es falsch ist. Aber er tut es trotzdem, er muss. Wenn es dunkel ist, werden sie zurück auf den Friedhof kommen. Max wird die Bretter vom Grab zur Seite heben, sie werden gemeinsam den Karton nach unten werfen und Erde auf ihn schaufeln. Keiner wird etwas merken. Es wird ein Grab wie jedes andere sein, man wird den Sarg
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