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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Besitzer der Pension, ein turbantragender Muslim, zeigte ihr enthusiastisch einen winzigen Raum, der einem Verschlag glich, auf wundersame Weise aber Platz für ein Bett, einen an der Wand über dem Fußende des Bettes installierten Fern seher und eine gurgelnde Klimaanlage an der Kopfseite bot. Seine Begeisterung sank merklich, als sie seine Präsentation unterbrach, ihm das Foto eines Mannes zeigte, den Namen nannte, der im Pass des Gesuchten angeführt war, und sich nach seinem Verbleib erkundigte.
    Als Kaja seine Reaktion bemerkte, fügte sie eilig hinzu, dass sie die Frau dieses Mannes sei.
    Der Botschaftssekretär hatte ihr zuvor erklärt, in Chungking sei es sinnlos und eher kontraproduktiv, mit dem Ausweis einer offiziellen Stelle herumzuwedeln. Als Kaja sicherheitshalber noch hinzufügte, sie habe fünf Kinder mit dem Mann auf dem Bild, änderte sich die Haltung des Pensionsbesitzers radikal. Ein junger, westlicher Ungläubiger, der bereits so viele Kinder in die Welt gesetzt hatte, verdiente seinen Respekt. Er seufzte tief, schüttelte den Kopf und sagte in beklagendem Stakkato-Englisch: »Traurig, traurig, Fräulein. Sie haben ihm den Pass abgenommen.«
    »Wer?«
    »Wer? Na, die Triaden, Fräulein. Für so etwas sind immer die Triaden verantwortlich.«
    »Die Triaden?«
    Natürlich war ihr die chinesische Mafia-Organisation ein Begriff, aber in ihrer Vorstellung existierte sie nur in Zeichentrickfilmen oder Karatestreifen und vielleicht noch in Büchern.
    »Setzen Sie sich, Fräulein.« Er zog eilig einen Stuhl heran, auf dem sie Platz nahm. »Sie haben nach ihm gesucht, aber er war weg, und da haben sie seinen Pass mitgenommen.«
    »Seinen Pass? Warum?«
    Er zögerte.
    »Bitte, ich muss es wissen!«
    »Ich fürchte, Ihr Mann war beim Pferderennen.«
    »Pferderennen?«
    »Happy Valley. Auf der Galopprennbahn. Das ist eine schreckliche Unsitte.«
    »Er hat Spielschulden? Bei den Triaden?«
    Er nickte und schüttelte dann mehrmals den Kopf, um sein Bedauern auszudrücken. »Und sie haben ihm den Pass abgenommen?«
    »Er muss seinen Pass zusammen mit den Schulden zurückkaufen, wenn er aus Hongkong wegwill.«
    »Er kann sich doch einfach beim norwegischen Konsulat einen neuen beschaffen!«
    Der Turban bewegte sich von einer Seite zur anderen. »Schon. Man kann sich hier in Chungking für achtzig US-Dollar auch einen machen lassen. Aber der Pass ist nicht das eigentliche Problem. Bedenken Sie, gute Frau, Hongkong ist eine Insel. Wie sind Sie hierhergekommen?«
    »Mit dem Flugzeug.«
    »Und wie wollen Sie wieder abreisen?«
    »Ebenfalls mit dem Flugzeug.«
    »Ein Flughafen. Tickets. Alle Namen im Computer gespeichert. Viele Kontrollpunkte. Nicht wenige, die auf dem Flug hafen arbeiten, bekommen ein kleines Zubrot von den Triaden, damit sie Gesichter wiedererkennen. Verstehen Sie?«
    Sie nickte langsam. »Sie meinen, es ist nicht so leicht, hier wegzukommen.«
    Der Besitzer schüttelte lachend den Kopf. »Nein, es ist
unmöglich.
Aber man kann sich in Hongkong verstecken. Sieben Millionen Einwohner. Da ist es leicht, unterzutauchen.«
    Kaja spürte den Schlafmangel und schloss die Augen. Der Besitzer schien das misszuverstehen, jedenfalls legte er ihr tröstend die Hand auf die Schulter und murmelte: »Ja, ja.«
    Nach einem kurzen Zögern beugte er sich vor und flüsterte: »Gute Frau, ich glaube, er ist noch immer hier.«
    »Ja, das habe ich verstanden.«
    »Nein, ich meine, hier im Chungking. Ich habe ihn gesehen.« Sie hob den Kopf.
    »Zweimal«, sagte er. »Bei Liy Yuan. Er isst dort. Billigen Reis. Sagen Sie niemandem, dass Sie das von mir haben. Ihr Mann ist ein guter Mann. Aber er steckt in Schwierigkeiten.«
    Er verdrehte die Augen, so dass sie beinahe unter seinem Turban verschwanden. »Großen Schwierigkeiten.«
    Das Li Yuan waren ein Tresen, vier Plastiktische und ein Chinese, der ihr aufmunternd zulächelte, als sie nach sechs Stunden Warten, zwei Portionen gebratenem Reis, drei Kaffee und zwei Litern Wasser aus dem Schlaf aufschrak, den Kopf von der fettigen Tischplatte nahm und ihn anstarrte.
    »Tired?«,
fragte er lachend und zeigte ihr eine unvollständige Zahnreihe.
    Kaja gähnte, bestellte ihre vierte Tasse Kaffee und wartete weiter. Zwei Chinesen kamen und setzten sich wortlos an den Tresen, ohne etwas zu bestellen. Sie würdigten sie keines Blickes, was ihr nur recht war. Ihr Körper war von der endlosen Sitzerei der letzten Stunden, seit sie in Norwegen abgeflogen war, so steif, dass sie

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