Lexikon der Oeko-Irrtuemer
Bundesamt)
Ähnliches läßt sich für Luftschadstoffe, Wasserverbrauch und Abfallaufkommen zeigen. Es ist also zweifellos gelungen, den mengenmäßigen Naturverbrauch vom wirtschaftlichen Wachstum abzukoppeln und zwar in einem Ausmaß, das den Begriff »Effizienzrevolution« rechtfertigt. Der Erfinder des Wortes »Effizienzrevolution«, Ernst Ulrich von Weizsäcker, fordert von den Industrieländern - wie er in dem gleichnamigen Umweltbestseller formuliert - den »Faktor 4«: »Aus einer Tonne Öl oder einer Tonne Erdreich wollen wir viermal soviel Wohlstand herausholen. Dann können wir den Wohlstand verdoppeln und gleichzeitig den Naturverbrauch halbieren.« 3 Nun, so weit sind wir noch nicht, aber immerhin: Aus einer Tonne Material wird heute gut doppelt soviel Wohlstand herausgeholt wie 1960. »Faktor 4« als Ziel erscheint im Lichte der jüngsten Zahlen und Entwicklungen keineswegs utopisch. Was möglich ist, zeigen fortschrittliche Industriebetriebe, die nicht mehr auf Filter oder Reparaturtechnik setzen. Völlig neue Produktionsverfahren bringen von vorneherein Ressourcen-Einsparungen bis zu 95 Prozent. Ein Beispiel aus der Papierindustrie: Während die Papierherstellung früher als Gewässerkiller Nummer eins galt, gelingt es schwedischen Papierfabriken mittlerweile, Zellstoff im geschlossenen Kreislauf herzustellen. Der Einsatz von Frischwasser für die Papierbleiche sank dadurch von 50 auf 5 Kubikmeter pro Tonne Zellstoff. 4 Verglichen mit der Zeit um 1900 sind die Fortschritte in der Papierindustrie noch eindrucksvoller: Der Wasserverbrauch nahm bei Papier um das 40fache und bei Packpapier sogar um das 600fache ab.
In großen deutschen Chemiebetrieben werden in den achtziger Jahren gebaute biologische Großkläranlagen inzwischen wieder geschlossen - sie sind aufgrund der drastisch gesunkenen Abwasserlasten schlicht überflüssig geworden. Obwohl Rohstoffe und Energie aus ökologischer Sicht immer noch viel zu billig sind (weil entsprechende politische Rahmenbedingungen fehlen), rechnet sich die Effizienzrevolution schon heute für die Unternehmen - anders ist die Entwicklung einfach nicht zu erklären. Im Verantwortungsbereich des einzelnen Bürgers wird übrigens nicht so scharf kalkuliert. Die separate Betrachtung der statistischen Zahlen ergibt: Beim privaten Wasserverbrauch etwa, beim privaten Energieverbrauch und beim Individualverkehr fällt die Entkoppelung von Wohlstand und Naturverbrauch - wenn überhaupt - viel geringer aus. Die Effizienzrevolution der letzten 35 Jahre wurde nicht wegen, sondern trotz unseres individuellen Verbrauchs erzielt. Dies führt zu einem delikaten Schluß: Jeder einzelne Bundesbürger sollte seine Ressourcen-Produktivität im gleichen Maße verbessern wie der durchschnittliche deutsche Produktionsbetrieb. Dann brauchten wir uns über »Faktor 4« keine Gedanken mehr zu machen.
1 Institut der deutschen Wirtschaft, IW-Trends, September 1996. 2 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14. 6. 1996, unter Berufung auf das Statistische Bundesamt, Umweltökonomische Gesamtrechnungen 1995. 3 E. U. von Weizsäcker et al., Faktor 4: Doppelter Wohlstand - halbierter Naturverbrauch, 1995. 4 Der Spiegel Nr. 24/1996.
»Die Globalisierung der Wirtschaft zerstört die Umwelt«
Das niederländische Club-of-Rome-Mitglied Wouter van Dieren erwartet in ökologischer Hinsicht nichts Gutes. Auf einer Tagung des Wissenschaftszentrums Nordrhein-Westfalen 1997 brachte er seine Befürchtungen so auf den Punkt: »Die Globalisierung der Märkte ist ein Experiment, das schlimmer ausgehen kann als der Marxismus.« Wouter van Dierens Marxismus-Vergleich hinkt jedoch gewaltig: Das Schicksal der sozialistischen Länder ist ja gerade ein Beleg dafür, daß geschlossene (und nicht freie!) Märkte auf Umweltpolitik und Umweltstandards verheerende Auswirkung haben. Als Beleg genügt ein schlichter Vergleich der Industrie der ehemaligen DDR mit der Westdeutschlands zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung. Auch in einer Studie der Weltbank wird die These vertreten, daß besonders schmutzige Industrien in abgeschotteten Ländern besser gedeihen als in offenen Volkswirtschaften.
Verdient es die Einbindung von immer mehr Volkswirtschaften in die weltweite Arbeitsteilung (nichts anderes versteckt sich hinter dem Begriff »Globalisierung«) also tatsächlich, zum Buhmann für alles Übel dieser Welt stilisiert zu werden? In ökologischer Hinsicht sollten wir wirklich nicht vorschnell urteilen: Ohne
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