Lexikon der Oeko-Irrtuemer
ermöglichen und dabei die Natur nicht allzusehr zu schädigen. Die Chancen stehen gar nicht so schlecht, denn auch in den Entwicklungsländern nimmt das Bewußtsein für Umweltprobleme deutlich zu, und in manchen Regionen wurden bereits erste praktische Verbesserungen erzielt (siehe »Die Entwicklungsländer kümmern sich nicht um den Umweltschutz«).
Nicht Wohlstand, sondern Armut ist die größte Bedrohung für die Umwelt. Wenn es in Ländern wirtschaftlich bergauf geht, werden nach einiger Zeit auch die Umweltprobleme in Angriff genommen. Dies hat sich in den alten Industrieländern deutlich gezeigt und wird von globalen Erhebungen der Weltbank bestätigt (siehe »Wachsender Wohlstand führt zu mehr Umweltbelastung«). Die reichen Länder könnten am wirkungsvollsten zum globalen Umweltschutz beitragen (und obendrein Geld verdienen), wenn sie saubere, energiesparende und preisgünstige Techniken entwickeln, die den Anforderungen in Entwicklungsländern genügen.
Wachstum und Wohlstand in den armen Ländern führen letztlich zu mehr Umweltschutz. Alle Staaten, die bereits durch die Periode des Frühkapitalismus gegangen sind, durchliefen dabei sehr ähnliche Phasen der ökonomischen und ökologischen Entwicklung. Am Anfang steht das Ausplündern der natürlichen Ressourcen (zum Beispiel Holz). Es folgen die schmutzigen Industrien. Mit der Zeit ebbt der Raubbau ab, da Industrieprodukte für die Volkswirtschaft wichtiger werden als Rohstoffe. Schließlich werden auch die Produktionsverfahren effizienter und sauberer.
Die Globalisierung eröffnet jungen Industrienationen neue Chancen. Es gibt keine humane und ökologische Alternative zur Teilnahme am Welthandel. Wer Umweltschutz und bessere soziale Verhältnisse auch für arme Länder will, der sollte gegen Handelsschranken und Zölle kämpfen, mit denen die reichen Länder ihre Märkte abschotten, um die Neulinge auf dem Weltmarkt klein zu halten.
Eine Studie des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel ergab: Die Entwicklungsländer profitieren von der Globalisierung. Allein zwischen 1990 und 1996 wuchs die Exportquote der Entwicklungsländer von 21,1 auf 25,3 Prozent. Die Durchschnittseinkommen stiegen zwischen 1985 und 1995 in Ostasien um mehr als sieben Prozent (in den Industrieländern im gleichen Zeitraum nur um zwei Prozent). In den letzten 30 fahren des 20. Jahrhunderts haben sich die Pro-Kopf-Einkommen in Südkorea verzehnfacht, in Thailand verfünffacht und in Malaysia vervierfacht. Auch Südamerika gehört zu den Globalisierungsgewinnern. 4
Und was wird aus der Natur? Der technische Fortschritt in der Landwirtschaft hat dazu geführt, daß auch Entwicklungsländer auf gleicher Fläche immer mehr ernten. Dennoch wird die weitere Umwandlung von Wildnis in Acker- und Weideland im nächsten halben Jahrhundert unvermeidlich sein. Die Tourismusindustrie kann dabei helfen, daß die weltweite Ausdehnung der Agrarflächen nicht auf Kosten der schönsten Naturgebiete geschieht. Dort, wo Tourismus mehr Wohlstand schafft als Landwirtschaft, ist die Natur am sichersten.
Die wichtigste Botschaft für das 21. Jahrhundert lautet: Auf dem Planeten Erde können alle Menschen satt werden. Die globale Netto-Primärproduktion, also die Biomasse, die die Natur jährlich erzeugt, wird auf über 170 Milliarden Tonnen geschätzt. Bisher nutzte die Menschheit zirka zehn Prozent davon im Jahr für ihre eigene Ernährung und die ihrer Nutztiere. 5
Und wer Angst hat, daß es ihm auf der Erde zu eng werden könnte, sollte sich einmal in Pennsylvania umsehen. Der US-Schriftsteller P. J. O'Rourke erlaubte sich 1993 den Spaß auszurechnen, wie sehr die Menschheit zusammenrücken müßte, wenn die schlimmsten Wachstumsprognosen eintreffen. Er addierte die Landfläche der Kontinente (ohne Antarktis). Dann nahm er die Vorhersage aus Al Gores Buch »Wege zum Gleichgewicht«: 14 Milliarden Menschen würden demnach im 21. Jahrhundert auf der Erde wohnen (also mehr als die UN-Experten als Maximum errechneten). Sollte dies eintreffen, müßten sich weltweit 103 Menschen einen Quadratkilometer teilen. Das entspricht ziemlich genau Pennsylvania, denn dort sind es 102 pro Quadratkilometer (Deutschland: 229). Der »überbevölkerte« US-Bundesstaat verfügt über ausgedehnte Agrargebiete und riesige Staatswälder und exportiert Lebensmittel im Werte von mehreren Milliarden Dollar. 6
1 R. Bailey, The True State of the Planet, 1995. 2 ebd. 3 DSW-Newsletter, Nr. 19/1996. 4 Frankfurter
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