Lichthaus Kaltgestellt
ist eine Welt zusammengebrochen. Unser Intimleben wurde ans Licht gezerrt, die Kollegen verhörten mich wie eine Kriminelle, und das Schlimmste war, dass Bogdan mir vorwarf, ihn nicht gewarnt zu haben, die Drogenfahnder mich aber genau deswegen anklagten.«
Sophie Erdmann beugte sich vor, die Arme eng um den Oberkörper geschlungen. Ihre Stimme klang hohl. Die Erinnerung drohte, sie mitzureißen. »Er trennte sich sofort von mir, warf meine Kleider auf die Treppe und bezeichnete mich als undankbare Schlampe. Mein Gott, wie habe ich mich in ihm getäuscht. Alles brach auseinander. Die Kollegen ächteten mich, es kam zur Suspendierung und zur Anklage wegen Beihilfe, die Gott sei Dank fallengelassen wurde. Na ja«, sie seufzte und richtete sich auf. »Vielleicht komme ich hier ein wenig zur Ruhe.«
Lichthaus sah sie an. »Das war sicherlich nicht leicht für Sie. Es sollte uns aber gelingen, Ihnen hier einen guten Start zu verschaffen. Erzählen Sie die Geschichte den Kollegen, wenn sich der passende Moment ergibt. Ich denke, das macht es leichter.«
Sie nickte. »Ich glaube, Scherer wird es verstehen. Steinrausch wohl auch.« Sie reichte ihm die Hand. »Bis morgen. Und vielen Dank.« Es klang müde, aber auch ein wenig zufrieden.
Als sie losgefahren war, ging Lichthaus ins Haus und räumte auf. Er konnte Sophie Erdmanns Resignation nachvollziehen, es war schwer, Privates mit dem Polizeiberuf in Einklang zu bringen. Vor einigen Jahren hatten er und Claudia eine enorme Krise durchgemacht. Damals hatte er den Dienst über alles gestellt, auch über ihre Beziehung. Er hatte die Warnzeichen übersehen, bis es fast zu spät gewesen war.
Jetzt beeilte er sich, wollte zu seiner Frau und der Kleinen. Als er ins Schlafzimmer kam, lag Henriette bereits in der Wiege. Claudia las noch. Er legte sich zu ihr, schreckte dann aber hoch. Hatten die Kollegen von der Streife auch überprüft, ob es auf Evas mutmaßlichem Heimweg Überwachungskameras gab? Wenn es welche gab, müssten sie morgen sofort die Aufnahmen auswerten.
Er machte sich eine Notiz und schlief nun ruhig ein, während Claudia ihm beim Lesen mit einer Hand über die Haare strich.
*
Die Simeonstraße 44 war ein großes Geschäftshaus direkt gegenüber der Einmündung in die Glockenstraße, die man von hier aus gut einsehen konnte. Im Erdgeschoss befand sich ein Schuhgeschäft, dessen Verkäuferinnen gerade dabei waren, die Angebotsware vor dem Eingang aufzubauen. Sie lächelten Lichthaus und Sophie Erdmann freundlich an. Obwohl es noch früh war, strömten unzählige Touristen durch Trier, die vor der großen Mittagshitze ihre Besichtigungstouren abspulten. Gleich neben dem Schaufenster lag die schmale Haustür. Sophie Erdmann suchte kurz und drückte auf die Klingel.
»Ja?« Die Stimme Richard Leys knarrte metallen durch den Lautsprecher.
»Guten Morgen, Herr Ley«, begann Lichthaus. »Mein Name ist Lichthaus von der Kripo, wir hatten …«
»Kommen Sie rauf. Erster Stock«, schnarrte die Stimme und der Türsummer brummte. Das Haus war modern mit Aufzug und neuer Treppe ausgebaut. Richard Ley war ein hagerer, hochgewachsener Mann von siebenundachtzig Jahren, wie Lichthaus aus den Akten wusste. Er fixierte die beiden mit einem ungemein wachen Blick, bat sie herein und stellte seine Frau vor, die klein und rundlich das genaue Gegenteil ihres Mannes war. Die Wohnung war großzügig geschnitten und geschmackvoll eingerichtet.
»Nehmen Sie doch bitte Platz.« Sie setzten sich auf eine Couchgarnitur am Fenster. Auf einer Anrichte standen Fotos. Auf diesen war ein junger Richard Ley neben anderen Männern zu sehen – in der Fliegeruniform der Wehrmacht. Ein Pilot.
»Was kann ich für Sie tun? Ich dachte, ich hätte Ihren Kollegen bereits alles gesagt.«
»Schon«, begann Lichthaus, »aber Sie sind unser einziger Zeuge, und aus dem Protokoll der Beamten gehen bestimmte Details nicht eindeutig hervor, die sich inzwischen als wichtig für uns erwiesen haben. Also, könnten Sie uns bitte noch einmal erklären, was sich zugetragen hat, als Sie ans Fenster traten?« Richard Ley lehnte sich entspannt zurück.
»Zuerst hörte ich lautes Grölen. Betrunkene, da war ich mir ziemlich sicher. Ich bin ans Fenster, doch die waren schon weg. Etwas später ist das Mädchen gekommen. Sie ging mitten auf der Straße und schaute sich mehrfach um.«
»Sie fuhr nicht mit dem Rad?« Lichthaus war überrascht.
»Nein. Sie war zu Fuß unterwegs und hatte eindeutig Angst.«
»Wir sind
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