Liebe auf Dauer
oder …
Liebe braucht Verbindlichkeit
Natürlich kann es solche Verbindlichkeit nicht gleich von Anfang an geben. In der Phase des Jugendalters haben gegengeschlechtliche Beziehungen auch die wichtige Funktion, die Ablösung von den Eltern zu ermöglichen. Die starken emotionalen Liebeserlebnisse der Heranwachsenden untereinander lockern die Bindungen zu Vater und Mutter. Außerdem sollen sie den jungen Erwachsenen unterschiedliche Erfahrungen im Umgang mit dem anderen Geschlecht vermitteln. Dabei fällt auf, dass es Heranwachsenden trotzdem auch in dieser »Probierphase« wichtig ist, ihre Beziehungen genau zu definieren. Sie unterscheiden sehr klar zwischen »befreundet« und »mein Freund/meine Freundin«: »Mit diesen Jungs bin ich befreundet, und der Steffen ist mein Freund.« »Mein Freund«, »Meine Freundin« oder »Wir sind zusammen«: Solche Beziehungsdefinitionen werden durchaus als sehr verbindlich verstanden. Dennoch bleibt diese Verbindlichkeit in einer Art Vorläufigkeit, ist eine Art von Ausprobieren von Verbindlichkeit. Die Beziehung kann sehr schnell zu Ende sein, und ein anderer, eineandere tritt an die Stelle der Freundin/des Freundes. Das ist in dieser Phase auch durchaus in Ordnung. Zu frühe Festlegung kann notwendige Entwicklungen blockieren. In dieser Phase ist es wichtig, sich als Mann, als Frau in Beziehungen zum anderen Geschlecht auszuprobieren und kennen zu lernen, und das geschieht gerade auch durch die Vielfalt der Erfahrungen und auch durch die Schmerzen von vollzogenen und erlittenen Trennungen.
In unserer Gesellschaft hat sich in den letzten Jahren zudem eine Phase der menschlichen Entwicklung herausgebildet, die es so im Lebenszyklus früherer Generationen nicht gab, die so genannte »Zweite Adoleszenz«. Das ist die Zeit, in der die jungen Erwachsenen bereits definitiv von zuhause ausgezogen, in Ausbildung oder bereits berufstätig und damit wirtschaftlich, jedenfalls teilweise, selbstständig sind, aber noch keine »eigene Existenz« gegründet haben. Es ist eine Art Zwischenphase zwischen der Jugendzeit im Elternhaus und dem eigentlichen Erwachsenenalter. In dieser Zeit werden so genannte »Probeehen« immer häufiger. Man zieht mit dem Freund, der Freundin zusammen und lebt wie ein Ehepaar, ohne sich als solches zu definieren. Auch dies kann ein durchaus angemessenes, nützliches oder sogar notwendiges Stadium sein, um die eigenen Fähigkeiten zu erproben und in Beziehungen, im Lebensstil und im Beruf jene Ausrichtung zu finden, die zur eigenen Person passt. Die Zeiten, da eine solche Lebensform als »Konkubinat« oder »wilde Ehe« diffamiert und moralisch abgewertet wurde, sind weitgehend vorbei, sogar bei aktiven Mitgliedern der katholischen Kirche, die dies offiziell immer noch ablehnt.
Hier droht allerdings eine Gefahr: Dass die beiden den Zeitpunkt übersehen, an dem ein nächster Schritt in ihrer Beziehung fällig wird. In gewissem Sinn ist die Situation jetzt unklarer, als sie vor dem Zusammenziehen war. Da war sie seine Geliebte, und er war ihr Geliebter, und die beiden waren ein Liebespaar. Was sind sie jetzt? Sie leben wieein Ehepaar, sind aber keines. Oft »dient« diese Situation beiden oder einem von beiden, eine geheime Angst, sich zu binden, zu kaschieren. Oft aber spürt wenigstens einer von beiden, und häufiger sind das die Frauen als die Männer, dass jetzt noch etwas ansteht: eben der Schritt in die Verbindlichkeit. Manchmal zeigt sich das darin, dass sie den Wunsch verspüren und ihn – hinter vorgehaltener Hand – ganz vertrauten Menschen gegenüber sogar äußern: »Ich fände es so schön, wenn er mir einen Heiratsantrag machen würde!«
Hinter diesem, manchem vielleicht altmodisch und in alten Rollenklischees verhaftet anmutenden Wunsch äußert sich ein tiefes Bedürfnis: das Bedürfnis nach Bindung, das Bedürfnis für den anderen, der/die Wichtigste, in diesem Sinn »Einzige« zu sein. Mindestens als Frage äußert es sich in jeder länger dauernden Beziehung: Ist der andere der, für den ich der/die Wichtigste, der/die Einzige bin?
Diese Frage will beantwortet sein, sonst wird sie sich immer wieder melden, es sei denn, ich schiebe sie, weil sie mir nicht oder immer nur negativ beantwortbar scheint, resigniert in den unbewussten Untergrund meiner Seele. Viele Paare spüren den Zeitpunkt, da sie sich unabweisbar stellt. Und dann sagt einer von beiden: »Sag, wollen wir nicht heiraten?« Oder: »Du, ich spüre, eigentlich möchte ich dich
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