Liebe auf Dauer
Arbeitswelt schaffen heutzutage keine Bedingungen mehr dafür, dass dies gelingt. Es kommt immer mehr auf das Wissen und Können der Partner an, die Liebe auf Dauer lebendig zu halten. Davon sind viele Menschen jedoch überfordert. Immer noch gilt der Satz aus einem Gedicht von Rilke: »Nicht ist die Liebe gelernt« (1984, S. 743). Denn wie man Beziehungen nach der Verliebtheitsphase gestaltet, das war früher kein Thema. Wir haben keine lebendige Tradition, die uns vermittelt, was einer Paarbeziehung zuträglich ist und was ihr schadet.
Damit bin ich beim zentralen Anliegen dieses Buches. Was in meinen früheren Veröffentlichungen (Jellouschek 2001, 2002a, 2003, 2004) immer schon anklang, möchte ich hier zum tragenden Leitthema machen: Wie kann die Liebe in einer Paarbeziehung lebendig und damit dauerhaft bleiben? Ich schöpfe in meinen Ausführungen hauptsächlich aus meinen Erfahrungen, die ich in nunmehr fast dreißig Jahren therapeutischer Arbeit mit Paaren gewonnen habe. Ich werde daraus zehn »Grundsätze« formulieren, denen ich jeweils ganz praktische »Hinweise« folgen lasse, die aber niemals als Patentrezepte »für alle Fälle« verstanden werden dürfen. Der einzelne Fall kann immer nochso sein, dass alles, was ich hier sagen werde, weder zutrifft noch zuträglich ist. Kein Ratschlag ohne berechtigten Einwand, keine Regel ohne mögliche Ausnahme! Dies bitte ich die Leserinnen und Leser immer mitzubedenken, und dies möchte ich dadurch auch immer wieder ins Bewusstsein rufen, dass ich nach jedem Kapitel auf »Einwände« eingehe, die ich nach Vorträgen und in Kursen von Teilnehmern häufig gehört habe.
Außerdem bin ich sicher, dass sich auch bei Beachtung aller folgenden Hinweise und bei bestem Willen aller Beteiligten Trennungen oftmals weiterhin nicht verhindern lassen werden. Trennungen müssen manchmal sein, etwa weil sich die beiden anfangs wirklich ineinander getäuscht haben, oder weil sich Entwicklungen ergeben haben, welche die beiden unausweichlich in verschiedene Richtungen führen, oder weil die Beziehung bis hierher gut war, nun aber ein neuer Abschnitt beginnt, den die beiden ohne einander gehen »müssen«, und dergleichen mehr. Trennungen sind manchmal unausweichlich, auch sogar im Interesse der Kinder, die besser mit getrennten Eltern leben, die gut kooperieren, als mit vereinten, die sich hassen und gegenseitig boykottieren. Dies will ich mit meinen Ausführungen keineswegs bestreiten. Allerdings ist mir auch bewusst, dass viele Trennungen nicht sein müssten, wenn beide Partner rechtzeitig die Weichen anders stellen würden und wüssten, was zu tun ist, sobald sie sehen, dass der Kurs, den sie eingeschlagen haben, in eine problematische Richtung führt. Dafür Hilfestellungen zu geben, das ist das Anliegen dieses Buches.
1 Definieren Sie Ihre Beziehung
Die Kunst, verbindlich zu werden
Wer bin ich für den anderen?
Was mit diesem ersten Grundsatz oder dieser ersten Regel gemeint ist, möchte ich an einer häufig gemachten Erfahrung deutlich machen: Immer wieder habe ich mit Paaren zu tun, die schon jahrelang zusammenleben, die aber nicht sagen können, wer oder was sie eigentlich sind: ein Liebespaar, ein Freundespaar, ein Ehepaar …? Irgendwann haben sie sich zusammengetan oder sind sogar zusammengezogen. Das war ein bedeutsamer Schritt, aber dabei ist es geblieben, weiter wurde nichts mehr geklärt. Wenn einer den anderen vorstellt, druckst er ein wenig herum, sagt »Mein Partner« oder »Meine Lebensgefährtin«, und obwohl diesen Begriffen heutzutage im Unterschied zu früher immer weniger etwas moralisch Anrüchiges anhaftet, hat es trotzdem etwas Peinliches, über das alle am Gespräch Beteiligten gerne schnell hinweggehen wollen …
Dies ist oft ein Zeichen dafür, dass den beiden nicht wirklich klar ist, wer sie füreinander sind. In der Regelbekommt ihnen, oder mindestens einem der beiden, das nicht gut. Er oder sie fragt sich: Wer bin ich eigentlich für den anderen? Will er mich wirklich? Steht er auch im Ernstfall zu mir? Kann ich mich wirklich auf ihn verlassen? Gibt es echte Verbindlichkeit zwischen uns? Es bleiben immer ein gewisser Vorbehalt, ein Misstrauen, eine Unsicherheit. Um hier Klarheit zu schaffen, braucht es eine eindeutige Beziehungsdefinition: Ich bin dein Mann, du bist meine Frau. Wir sind ein Paar. Diese Definition verspricht Verbindlichkeit. Ist sie nicht gegeben, sind wir eben etwas anderes füreinander: Freunde oder Kollegen oder gute Bekannte
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