Liebe auf dem Pulverfaß
ständigen heißen Wüstenwind, fruchtbar nur durch die Wasser des Wadi Raqqad, von Mauern umzogen seit Jahrhunderten, eine Festung mit ineinandergeschachtelten, weißen Häusern, Moscheen mit hohen, schlanken Minaretts, einer Priesterschule, mehreren Kasernen und einer großen Handelszentrale. Ein Gewimmel von über 100.000 Menschen beherrscht die Straßen, in denen die stickige Luft steht, durch die die Lastwagenkolonnen ratternd neben den schreienden Kamelherden und den langen Trecks der Lasteselzüge herfahren. Neuzeit und Altertum vermischen sich hier, und die Menschen, die abends auf den flachen Dächern liegen und die Kühle der nahenden Nacht trinken, haben vor tausend Jahren nicht anders ausgesehen als heute.
Der Arzt Safar Murad al Mullah bewohnte ein großes Haus in der Nähe des Platzes der Revolution. Nach außen fensterlos, burgähnlich, stumm und verschlossen, war es im Inneren mit einem Gartenhof, einem Springbrunnen und rundumlaufenden Säulengängen eine Oase für sich. Hier saß Safar Murad im Schatten und diktierte seinem Sekretär Briefe, empfing seine Freunde und dachte über neue Möglichkeiten nach, Unruhe in die von den Israelis eroberten und besetzten Gebiete Palästinas zu tragen. Er war ein guter Arzt, aber noch besser war seine Phantasie, wenn es um Rache ging.
»Jeder Mensch hat ein Ziel«, sagte er einmal zu Issa, seiner Frau, und Abdallah, seinem Sohn. »Mein Ziel ist es, meine Füße wieder in der großen Moschee von Jerusalem zu waschen. In einem freien Jerusalem! Möge mich Allah so lange leben lassen –«
Ein Teil des Hauses war als Praxis eingerichtet. Hier warteten jeden Tag lange Schlangen von Kranken, die Safar mit noch drei Assistenten behandelte. Ein anderer Teil war der Revolution gewidmet – hier standen Sender, lagerten Waffen aller Art, war die Schaltstelle der Guerillas mit Kartentischen, Wandkarten, Telefonen und Stapeln von Propagandamaterial. Vierzehn Männer arbeiteten hier Tag und Nacht und hielten die Fäden aller Freischärler in den Händen, die über Israel und das westliche Europa verteilt waren. Wie Marionetten wurden sie von hier aus bewegt … es gab nicht eine Aktion arabischer Guerillas, die nicht im Hause Dr. Murads auf den Karten abgesteckt worden war.
Es war ein ruhiger, sich abkühlender Abend nach einem Tag mit über dreihundert Patienten, die in fünf Zimmern untersucht worden waren, als Safar Murad endlich Zeit fand, im Innenhof am Brunnen zu sitzen und eine Zigarre zu rauchen. Er kleidete sich europäisch und trug über dem Anzug nur eine leichte, weiße Dschellabah und um den Kopf das Kopftuch mit einem dreifachen, rotweißen Gummiring. Issa, seine Frau, bereitete das Essen vor, Abdallah, sein Sohn, war zu den Golanhöhen gefahren, um neue Kommandotrupps zu inspizieren, die heute, im Schutze der Nacht, nach Israel einsickern sollten.
Ein erfolgreicher Tag, dachte Safar. Allah hat seinen Segen über mein Haus gebreitet. Er hob den Kopf, als einer seiner Sekretäre vom ›Revolutionsteil‹ des Hauses herüberkam und ein Telegramm brachte. Wortlos reichte er es Dr. Safar hin und trat dann ein paar Schritte zurück.
Safar Murad setzte seine Brille auf, legte die Zigarre auf den Brunnenrand und las die wenigen Zeilen. Sein scharfkantiges Gesicht mit der hervorspringenden, gebogenen Nase blieb völlig ruhig, als er den Zettel weglegte, seine Zigarre nahm und ohne Eile wegging in den privaten Teil seines Hauses. Dort hatte Issa den Tisch gedeckt und häufte gerade auf einer großen Schale frische Früchte auf.
»Ghazi Muhamed el Islam schickt eine Meldung aus Köln«, sagte Safar. Jetzt, als er sprach, schien er verändert … Issa blickte erschrocken hoch. Eine Traube mit dicken dunkelroten Weinbeeren fiel auf den Tisch.
»Aus Köln? Von Amina? Was ist mit Amina …?« Ihre Stimme versank in Angst und brach dann wieder hervor. »Allah, was ist mit Amina?«
»Ghazi meldet, daß sie einen Mann liebt.« Safar Murad stützte beide Hände auf den Tisch, als suche er Halt. »Sie ist alt genug, und ich habe sie erzogen, ihre Ehre zu bewahren. Aber jetzt ist etwas eingetreten, wo wir handeln müssen. Sofort! Seit acht Tagen trifft sie sich mit dem Mann. Jeden Abend sind sie zusammen. Ghazi hat seinen Namen telegrafiert. Es ist Kehat Yonatan –«
»Ein Jude –«, sagte Issa leise. »O Allah, ein Jude!« Sie schlug die Hände vor das Gesicht und wandte sich ab, als habe sie als Mutter eines solchen Mädchens einen Teil der Schande zu tragen.
»Und
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