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Liebe in St. Petersburg

Liebe in St. Petersburg

Titel: Liebe in St. Petersburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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im Schutz der Dunkelheit über den großen Zentralfriedhof von Wladiwostok, überstiegen eine halbhohe Mauer und erreichten die Straße, die in die Stadt führte.
    Um ganz sicher zu gehen, daß man sie nicht ansprach, hatte Tschugarin einen schönen Kranz aus der Halle mitgenommen. Er trug ihn voraus, dann folgten Gregor und Grazina mit gesenkten Köpfen, den Schluß bildete Luschek mit traurigen Hundeaugen. Ein paar Menschen, fromme Seelen, die ihnen begegneten, schlugen das Kreuz. Sogar Soldaten traten zur Seite und ließen sie vorbei. Wenn sich auch alle Ordnung auflöste und Rußland einem brodelnden Kessel glich, der gleich explodieren mußte … Wo voller Ehrfurcht ein Kranz herumgetragen wird, regt sich auch im rüdesten Menschen ein wenig Angst vor dem eigenen Ende …
    Es gab in Wladiwostok sogar noch eine alte Pferdebahn, die vom Friedhof in die Stadt fuhr. Tschugarin hielt sie an und hob den Kranz hoch. »Laßt uns mitfahren, gute Brüder!« rief er. »Kommen wir hierher, um unser Onkelchen, den lieben gütigen Menschen zu beerdigen und finden ihn nicht! Was soll man dazu sagen? Da haben wir den Kranz – aber Onkelchen liegt nicht hier. Es ist schrecklich!«
    Man hatte Mitleid mit ihnen, ließ sie trotz Überfüllung einsteigen, und so kamen sie schneller in die Stadt zurück, als sie geglaubt hatten.
    Wo aber sollten sie wohnen? Alle Hotels, alle Gasthöfe waren besetzt, und sogar in den Privatwohnungen waren sämtliche Sofas, Sessel und Betten an Flüchtlinge vermietet. Man verdiente gut daran, für ein Bett wurden Summen bezahlt, für die man sich früher einen Monat lang am Schwarzen Meer erholen konnte. Ein Bett in Hafennähe kostete glatt 100 Rubel pro Nacht – und das war ungeheuerlich, aber wenn man bedenkt, daß Hafennähe bedeutete, immer über die neuesten einlaufenden Schiffe orientiert zu sein, dann war es noch geschenkt.
    Tschugarin und Gregor machten sich auf Quartiersuche. Luschek blieb bei Grazina. Sie saßen in der Nähe des Hafens in einem kleinen Café.
    »Wenn wir kein Zimmer finden«, sagte Grazina und trank durstig den dünnen Kaffee, »schlafen wir einfach zwischen den Säcken im Hafen. Was Tausende können, schaffen wir auch!«
    Das Café hatte früher ›La Parisienne‹ geheißen, aber von dem französischen Flair war nichts mehr zu spüren. Die Tische waren schmierig und dreckig, der Kaffee miserabel, und ein belegtes Brötchen, mit ganz gewöhnlichem Käse belegt, kostete einen Rubel! Dafür hätte man früher ein Schüsselchen voller Kaviar bekommen!
    Luschek meinte nachdenklich: »Man hätte ooch die Särge mitnehmen können, zum schlafen. Etwas mühsam, sie herumzuschleppen, aber so'n Sarg hat doch eine unjeheure Wirkung!«
    In diesen Tagen war es so, daß jeder Mensch, der Geschäfte machen wollte, scharfe Ohren hatte. Auch am Nebentisch schien solch ein Mensch zu sitzen, ein kleiner, dürrer Bursche mit einem Spitzmausgesicht. Er erhob sich, machte eine Verbeugung vor Grazina und sagte mit einer ziemlich hohen Stimme:
    »Ich höre, Sie suchen ein Bett, Hochwohlgeboren? Vielleicht könnte ich Ihnen behilflich …«
    »Vier Betten!« sagte Luschek in seinem holprigen Russisch.
    Der Kleine grinste breit. »Gleich vier? Das ist ein Problem, wo Betten jetzt kostbarer sind als Perlenketten …«
    »Darüber könnte man reden«, sagte Grazina. »Was haben Sie anzubieten?«
    »Was können Sie geben, Hochwohlgeboren?«
    »Moment! Wo haben Sie die Betten?«
    »Es ist ein Zimmer, nur dreihundert Meter vom Hafen entfernt.« Das Mausgesicht kratzte sich in den schütteren Haaren. »Genaugenommen ist es kein Zimmer, sondern mehr eine Lagerhalle. Es wohnen schon vierundsiebzig Bürger darin, aber man könnte Matratzen zusammenlegen. Wissen Sie, was vier Matratzen wert sind? Und der Platz, auf den man vier Matratzen legen kann? Und dazu noch in Hafennähe? Wenn Sie mir nicht so sympathisch wären, Hochwohlgeboren …«
    »Wieviel?« fragte Grazina kurz. Sie griff in das Innere ihres Hosenbundes und riß eine Naht auf. Der Kleine nickte, er hatte schon viele Nähte gesehen, die man auftrennte …
    »Tausend Rubel …«, sagte er gelassen.
    »Ick schlage dir den Schädel ein!« schrie Luschek.
    »Für tausend Rubel gibt es allerdings keine Zeitbegrenzung, das ist der Vorteil!« sagte der Dürre schnell. »Ob zwei Tage oder zwei Wochen oder zwei Monate – solange Sie die Matratzen bewohnen, gehören sie Ihnen! Das sollte doch tausend Rubelchen wert sein, denke ich. So ein Angebot bekommen

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